Lilienzucht (German Edition)
ratlos hinterher hasten.
Als Josie kurz darauf die Bibliothek betritt, entfährt ihr zunächst ein nur geflüstertes „Oh, mein Gott!“. Victor sitzt wie ein nasser Sandsack in einem der Sessel, sein Laptop auf den Knien, die Augen verquollen, rot gerändert und fiebrig glänzend.
„Was denn?“, brummt er heiser, ohne den Blick von Bildschirm zu heben. „Ich hatte doch gesagt, ich will nicht gestört werden.“ Stirnrunzelnd tippt er etwas ein, das er gleich darauf wieder löscht. Offensichtlich hat er große Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Gequält hustend sieht nun doch auf.
„Josephine!“, krächzt er erstaunt und ringt sich ein eindeutig forciertes Lächeln ab. „Was machst du denn hier? Hat Jeffrey dich nicht erreicht?“
„Doch, das hat er.“, antwortet Josie nüchtern und atmet tief durch. „Genau deswegen bin ich hier. – Genauer, wegen dem, was er nicht gesagt hat.“
Victors Kopf ist anscheinend viel zu benebelt, um zu verstehen, wovon sie redet, fragend sieht er sie an und versucht dabei krampfhaft, einen kleinen Hustenanfall zu unterdrücken.
Josies Gesicht spiegelt mit einem Mal überdeutlich ihre Besorgnis. Mit ein paar Schritten ist sie bei ihm und geht vor seinem Sessel in die Hocke.
„Bist du denn verrückt?“, fragt sie leise. „Du bist doch Arzt, du solltest doch wissen...“ Seufzend bricht sie ab und lächelt gequält. „Ach, was rede ich“, fährt sie resigniert fort. „Der Exfreund einer guten Freundin ist auch Arzt ... und bei ihm ist es jedes Mal so.“ Noch einmal entschlüpft ein Seufzer ihrer Kehle, während sie behutsam nach Victors heißen Händen greift. „Du glühst ja förmlich!“, stellt sie erschüttert fest ... und muss plötzlich doch leise kichern. „Also, wirklich, ich kenne nur zwei Sorten von Männern: Die einen spielen bei den ersten Anzeichen einer Erkältung das Leiden Christi persönlich und die anderen ignorieren alle Symptome so lange, bis sie buchstäblich zusammenklappen.“ Sachte drückt sie Victors Hände und entlockt ihm ein schräges Grinsen. „Ich weiß, es soll auch noch eine dritte Sorte geben: Männer, die einfach angemessen auf Infekte reagieren, ... aber ehrlich gesagt, kenne ich keinen einzigen davon.“
Victor hustet erneut trocken und gequält und augenblicklich wird Josie wieder ernst. „Komm schon, Victor, sei vernünftig!“, fordert sie eindringlich. „Du gehörst ins Bett.“
„Ich gebe dir ja Recht“, gibt er müde zu, „lass mich nur noch schnell...“
„Nichts da!“, sagt Josie überraschend streng. „Du wirst das da jetzt sofort abspeichern und den Rechner runterfahren, mein Lieber! Du kannst ja nicht mal mehr richtig geradeaus gucken.“
„Aber, ich hab wichtige Termine...“, versucht Victor verzweifelt einzuwenden, doch eigentlich ist er viel zu kraftlos, um ernsthaft mit ihr zu streiten.
„Die wichtigsten Termine, die du in nächster Zeit hast, sind die mit deinem Bett und deinem Arzt.“, betont Josie besorgt.
„Ich bin selbst Arzt!“, knurrt Victor halbherzig, aber eigentlich ist ihm schon klar, dass er diesmal den Kürzeren ziehen wird. Resignierend fährt er den Computer herunter und klappt den Deckel zu.
Josie hat sich indessen ohne weiteren Kommentar an den Butler gewandt, um herauszubekommen, ob es einen Arzt gibt, den Victor bei strittigen Fachfragen konsultiert und dem er vertraut.
„Dr. Spellman vielleicht.“, meint Jeffrey und wirft einen hilflosen Blick auf seinen Arbeitgeber, der jedoch nur schwach die Achseln zuckt.
„Dann rufen Sie ihn bitte an und bitten ihn um einen Hausbesuch; ich denke nicht, dass unser Sorgenkind hier das Haus verlassen sollte.“, ordnet Josie rigoros an. „Und du, Mary, sorgst bitte für eine Kanne Tee, je einen gehäuften Teelöffel Salbei, Thymian, Kamille, Spitzwegerich und Pfefferminze auf einen Liter. Ich hoffe, in der Küche ist alles vorhanden...“
„Ich denke schon.“, meint Mary vorsichtig optimistisch. „Und wenn nicht, werde ich den Gärtner fragen.“
„Gut.“, meint Josie und wirft stirnrunzelnd noch einen Blick auf Victor, der anscheinend kaum noch die Augen offen halten kann und verdächtig laut schnaufen muss. „Bevor Sie Dr. Spellman anrufen, sollten Sie mir vielleicht helfen, den Herrn des Hauses nach oben zu bringen, Jeffrey. Falls sein Kreislauf nicht mehr mitspielen sollte, werde ich, denke ich, kaum in der Lage sein, unseren Meister hier aufzufangen.“
„Wie Sie wünschen, Mylady.“, antwortet Jeffrey
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