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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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spreizte die Flügel und flog direkt auf sie zu!
    Lilith durfte keine Sekunde mehr verlieren. Ihre Hände klammerten sich am Lenker fest und ihre Füße traten tief in die Pedale. Das alte Rad gab ein unwilliges Ächzen von sich und einen Augenblick lang war sich Lilith sicher, dass ihre Fahrradkette abgesprungen sei.
    Die Krähe hatte sie fast erreicht. Schon hatte Lilith das fein verästelte Gefieder vor Augen, den kräftigen Hals und die mit Hornschuppen bedeckten Füße, deren spitze Krallen Lilith gefährlich nahe kamen.
    Endlich gewann das schwerfällige Rad an Fahrt. Lilith sauste die menschenleere Straße entlang, so schnell, als würde sie fliegen. Doch sie hörte ihren Verfolger hinter sich. Adrenalin flutete ihren Körper und trieb sie voran, schneller, weiter.
    Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter.

    Die Krähe verringerte den Abstand mit jeder Sekunde. Lilith stieß weiter mit aller Kraft in die Pedale und wagte nicht mehr, sich umzudrehen. Sie wusste, dass die Krähe schon zu nahe war. Da – war das nicht der Luftzug ihrer Schwingen in ihrem Nacken?
    Die Villa kam in Sicht. Lilith radelte, so schnell sie konnte.
    Die Krähe stieß einen Schrei aus. Direkt neben Liliths Ohr. Nur noch wenige Meter. Lilith spürte, wie etwas ihr Haar streifte. Die Angst verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Sie trat noch schneller in die Pedale. Gleich hatte sie das Gartentor erreicht.
    Das Rad schoss holpernd in den Gartenweg hinein und Lilith hatte die rettende Seitentür direkt vor Augen. Sie sprang vom Fahrrad und ließ es ins Gras fallen. Nur noch wenige Schritte!
    Plötzlich spürte sie die Krallen in ihrem Nacken, wie sie sich durch ihr Hemd in ihr Fleisch bohrten. Den brennenden Schmerz nahm sie nur nebenbei wahr. Aus den Augenwinkeln sah sie den geöffneten Schnabel der Krähe, zwei scharfe Messer, die schon das Fleisch unzähliger Opfer zerteilt hatten. Der schwarz schimmernde Schnabel näherte sich mit tödlicher Geschwindigkeit ihrem Hals. Lilith hatte nicht vor, den Angriff abzuwarten. Mit einer kühlen Entschlossenheit, die sie selbst überraschte, ballte sich ihre Hand zur Faust und schlug mit aller Kraft zu. Lilith konnte ihr Ziel zwar nicht richtig sehen, aber sie hatte Glück. Ihre Faust streifte einen der Flügel. Der Vogel, überrascht von ihrem Angriff, verlor den Halt und Lilith nutzte den Moment, um ihn abzuschütteln.
    Sie hechtete zur Seitentür.
    Bitte lass sie offen sein, betete sie.

    Lilith warf sich gegen das Holz.
    Die Tür schwang auf und sie schlüpfte in die Küche.
    In Sicherheit.
    Schwer atmend lehnte sich Lilith von innen gegen die Tür und schloss die Augen. Sie zitterte am ganzen Leib und ihr Herz pochte wie wild.
    Was sie gerade erlebt hatte, konnte doch nicht wirklich geschehen sein? Seit wann verfolgten Krähen Menschen und griffen sie dann grundlos an?
    Lilith zwang sich, tief durchzuatmen.
    »Was ist los mit dir, Mädchen?«, riss eine fremde Stimme Lilith zurück in die Realität. »Du polterst hier mit einem Lärm herein, als ob der Teufel hinter dir her wäre!«
    Erschrocken öffnete Lilith die Augen und sah am Herd einen alten Mann stehen, der sich gerade einen Teller dampfende Suppe aus einem Topf schöpfte. Auf seinem haarlosen Kopf schimmerten Altersflecken und seine Gesichtshaut spannte sich so dünn über seinen Schädel, dass Lilith für einen Moment glaubte, sie hätte den Kopf eines Skeletts vor sich. Der weiße Laborkittel ließ ihn noch bleicher erscheinen und in seinen Augen lag etwas Lauerndes. Er funkelte sie ungeduldig an und wartete anscheinend auf eine Antwort.
    Lilith löste sich von der Tür und deutete nach draußen.
    »Es ist … Ich wurde gerade …«, setzte sie zu einer Erklärung an, verstummte dann aber. Sollte sie diesem Fremden tatsächlich berichten, was geschehen war? Alles in Lilith sträubte sich dagegen, sich ihm anzuvertrauen.
    »Ich hatte es nur eilig«, murmelte sie schließlich.

    Er warf ihr einen missbilligenden Blick zu. »Und deswegen machst du so einen Lärm?«
    Der Alte nahm seinen Teller und eine Scheibe Brot und setzte sich an den Tisch. »Kein Benehmen diese jungen Leute. Wissen nicht, was sich gehört«, brummelte er.
    Zu Liliths Erleichterung trat Arthur mit Hannibal an seiner Seite in die Küche. Er hatte eine Zeitung unter den Arm geklemmt und kam aus einem der anliegenden Zimmer, die Lilith noch nicht gesehen hatte. Es schien eine Art Aufenthaltsraum zu sein, in dem sich ein großer Kamin befand und der mit gemütlich

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