Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
unscheinbar wirkte, dass Lilith ihn niemals für einen der zentralen unterirdischen Eingänge nach Chavaleen gehalten hätte. Er konnte kaum all die Vanator fassen, die Grigore und Lilith hierher begleitet hatten, und viele von ihnen mussten im dahinterliegenden Gang stehen bleiben. Durch die mit Sprengstoff und Kabeln beklebte Wand sah Lilith dank ihres magischen Blicks schwach einen Tunnel durchschimmern, der mit den in Chavaleen üblichen Kristalllichtern erleuchtet war. Für die Vanator jedoch musste die Höhlenwand äußerst massiv wirken.
»Gütiger Blutgott!«, stöhnte Vadim beim Anblick der Sprengstoffladungen. »Sind die denn wahnsinnig geworden? Mit dieser Menge könnte man das komplette Höhlensystem in die Luft jagen! So einer Explosion halten wahrscheinlich nicht einmal die verstärkten Schutzschilde stand.«
Liliths stille Hoffnung, dass bei ihrer Ankunft schon eine Armee von Razvans Leuten auf sie wartete, hatte sich leider nicht erfüllt. Ob die Fledermaus mit ihrer Mission, zu Rebekka zu fliegen und ihr eine mentale Warnung zu übermitteln, überfordert gewesen war? Vielleicht hatte Rebekka aber auch nicht gewusst, wie sie das tierische Alarmsignal interpretieren sollte.
»Der Sprengstoff und die Kabel versperren den Zugang, genau wie wir befürchtet haben«, stellte Vadim bedauernd fest. »Also musst du den anderen Weg benutzen.«
Damit Grigore sie nicht mithilfe grauenvoller Foltermethoden dazu bringen konnte, die Schutzschilde aufzuheben, musste Lilith unbedingt nach Chavaleen entkommen. Sie schluckte schwer und blickte auf die gegenüberliegende Seite des Raumes. Dort hatte sich ein Teich gebildet, gespeist von einem sprudelnden Bach, der sich durch die Höhle schlängelte und Teil des unterirdischen Flusses war, den die Vampire in Chavaleen für ihre Versorgungsboote benutzten. Laut Vadim musste sie nur ein paar Meter in die Tiefe zu einem kleinen Durchgang tauchen, dann würde sie die Strömung erfassen und automatisch auf die andere Seite bringen. Zwar dehnte sich der Schutzschild auch bis zu jenem Durchgang aus, aber dank des Bernstein-Amuletts müsste Lilith es ohne Probleme passieren können. Wenn nicht, wäre ihr Schicksal besiegelt. Zuerst einmal musste sie jedoch genügend Zeit für ihre Flucht gewinnen, denn die Vanator würden sicherlich nicht seelenruhig dabei zusehen, wie sie zum Wasserbecken rannte, hineinsprang und ausreichend Luft holte, um abtauchen zu können.
»Vanator, endlich ist der Tag gekommen, auf den wir so lange gewartet haben!«, setzte Grigore zu einer feierlichen Rede an. »In unserer Gruppe befinden sich Jäger aus allen Teilen der Welt, doch heute sind wir vereint im Kampf gegen das Böse! Gleich werden wir mit einer Hand unsere Waffen führen und gemeinsam die Blutsauger vernichten. Im Namen unserer Vorfahren bringen wir zu Ende, was sie vor Jahrhunderten begonnen haben. Seit dem Ende der Inquisition sind wir die Einzigen, die den Kampf gegen die Untoten weiterführen, denn für uns ist ihre Existenz nicht nur ein lächerlicher Aberglaube. Nein, wir kennen die bösartige Gefahr, die im Untergrund lauert, denn unsere Ahnen haben das Wissen von Generation zu Generation an uns weitergegeben. Allein wir kennen die Wahrheit um die Geschöpfe des Teufels und deswegen können nur wir die Retter der Menschen sein!«
Die Begeisterung in den Mienen seiner Gefolgsleute wuchs und in ihren Augen glomm ein fanatisches Funkeln auf. An ihrer angespannten Körperhaltung und den griffbereiten Waffen erkannte Lilith, dass sie es kaum erwarten konnten, in Chavaleen einzufallen und die Vampire auszurotten. Ob sie tatsächlich die Möglichkeit dazu haben würden, hing allein von Lilith ab. Erneut wanderte ihr Blick zum Höhlenbecken.
»Warum muss es denn ausgerechnet immer Wasser sein?«, fragte sie sich im Stillen. Sofort wurden ungute Erinnerungen an ihr unfreiwilliges Bad im Teufelstopf wach, bei dem sie fast ertrunken wäre. Zwar hatte ihr Mildred seither das Schwimmen beigebracht, doch wenn sie an ihre letzte Unterrichtsstunde ohne den beruhigenden Einfluss der Sirenenkräfte zurückdachte, wurde ihr ganz schlecht vor Angst und Unsicherheit. Zur Abwechslung wäre sie gerne einmal durch einen brennenden Feuerreif oder über einen hundert Meter tiefen Abgrund gesprungen, alles erschien Lilith in diesem Moment verlockender, als in ein von Felsen eingeschlossenes Wasserloch abzutauchen. Wenn Rebekka nur nicht so begriffsstutzig wäre und auf die Fledermaus reagiert hätte,
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