Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
gleichzeitig los. Liliths voller Magen protestierte mit einem unangenehmen Druckgefühl gegen den Sprint, trotzdem erreichte sie als Erste die Nische in der Eingangshalle, wo Rebekka wieder am Telefon stand.
»… sie kommt bestimmt gleich, keine Sorge«, sagte sie gerade mit außergewöhnlich sanfter Stimme. Sie blickte auf, und für einen Moment glaubte Lilith, Bedauern in ihren Augen aufblitzen zu sehen. »Ah, hier ist sie! Na dann, es war schön, mit dir zu sprechen. Vielleicht lernen wir uns einmal persönlich kennen.«
Sie drückte Lilith den Hörer in die Hand, bewegte sich jedoch nicht vom Fleck.
»Hallo?«, meldete sich Lilith atemlos. Für einen Augenblick hörte sie nur ihr hämmerndes Herz und das Rauschen in der Leitung.
»Was bin ich froh, dass ich dich endlich erreiche, Lilith! Hier ist André Alexandrescu.«
Liliths Gehirn brauchte eine quälend lange Sekunde, um die Information zu verarbeiten. Dann endlich brachte sie den Namen mit dem Bild von einer warmen Winternacht in Afrika in Verbindung: Es war Vadims Sohn, mit dem sie bei ihrer Gerichtsverhandlung in Benin kurz gesprochen hatte. Er und sein Vater waren ihr damals sofort sympathisch gewesen und sie musste zugeben, dass Andrés charmante Art großen Eindruck bei ihr hinterlassen hatte. Obwohl er nur wenige Jahre älter war als Lilith, würde auch er bald die Nachfolge seines schwer kranken Vaters antreten müssen, doch im Gegensatz zu Lilith war er schon sein ganzes Leben auf diesen Posten vorbereitet worden und sah sich seiner zukünftigen Rolle als Führer der Vampire wahrscheinlich eher gewachsen.
»Ich habe schon mehrmals versucht, dich anzurufen.« Seine Stimme klang weit entfernt und Lilith drückte sich die Hand auf ihr freies Ohr, damit sie ihn besser verstehen konnte. »Leider ist unsere Verbindung nach draußen sehr schlecht und das Telefonieren aus Sicherheitsgründen nicht immer möglich.«
Das überraschte Lilith nicht, immerhin lag Chavaleen unter der Erde und die Vampire mussten wegen der Vanator auf der Hut sein.
»Was gibt es denn?«, fragte sie. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Ja, das kannst du«, gab er unumwunden zu. »Ich habe eine Bitte an dich. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber es wäre uns eine große Hilfe, wenn du zu uns nach Rumänien kommen könntest. Die Stimmung hier in Chavaleen ist derzeit etwas angespannt und es würde sich beruhigend auf das Volk auswirken, wenn ein weiterer Amulettträger anwesend wäre.«
Lilith verschluckte sich fast vor Überraschung. André Alexandrescu rief an und bat sie, Lilith Parker, um Hilfe? Dabei war sie davon ausgegangen, dass er ihr Zusammentreffen längst wieder vergessen hatte und sich nicht einmal an ihren Namen erinnerte.
»Du sprichst von dem Angriff der Vanator, oder?«, hakte sie nach und versuchte dabei, so gelassen wie möglich zu klingen. »Ich habe in den Nachrichten davon gehört, auch von dem Mord vor einiger Zeit.« Aus den Augenwinkeln sah sie, dass sich neben Rebekka nun auch Mildred, Matt, Arthur, Melinda und Strychnin zur Schar ihrer Zuhörer gesellt hatten und dem Gespräch gebannt folgten. Demonstrativ drehte Lilith ihnen den Rücken zu.
»Schlechte Neuigkeiten verbreiten sich offensichtlich schnell.« André stieß einen Seufzer aus. »Die Vanator sind uns dichter auf den Fersen als je zuvor. Es hat den Anschein, dass …«
Er hielt einen Moment zögernd inne, ehe er fortfuhr: »Jemand aus unseren Reihen versorgt sie mit Informationen, anders können wir es uns nicht erklären. Das ist es auch, was die Vampire in Chavaleen so sehr in Unruhe versetzt, aber das ist nicht der eigentliche Grund meines Anrufs. Mein Vater leidet plötzlich an einer ernsthaften Krankheit.«
Lilith erinnerte sich, wie schwach Vadim bei ihrem Kennenlernen gewesen war und dass Mildred die Befürchtung geäußert hatte, dass er nicht mehr lange leben würde. »Das tut mir leid, André! In seinem Alter …«, setzte sie an.
»Es liegt nicht an seinem Alter«, unterbrach er sie in scharfem Tonfall. »Er ist plötzlich wie ausgewechselt, er behauptet Dinge, die völlig abwegig sind. Er denkt, dass …« André stockte und suchte nach den richtigen Worten. »Tut mir leid, sein Zustand ist am Telefon schwer zu beschreiben, du musst herkommen und dir Vater ansehen! Bitte, Lilith, deine Bansheekräfte sind unsere letzte Hoffnung.«
Noch nie hatte Lilith von einer Krankheit gehört, bei der eine Banshee hätte helfen können. Ihre Kräfte kamen in der Regel erst zum
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