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Lilith Parker

Lilith Parker

Titel: Lilith Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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nicht ausgerechnet jetzt!«, stöhnte sie. Sie musste zur Burg, so schnell wie möglich.
    Hatte ihr Imogen nicht diesen Duftstoff in die Hand gedrückt, der ihre Visionen abschwächen sollte? Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie bei ihrem überstürzten Aufbruch vom Haus der Norwichs das Parfüm überhaupt eingesteckt hatte. Hastig durchwühlte sie ihre Jackentasche und atmete erleichtert auf, als sich ihre Finger um die zierliche Glasflasche schlossen. Aber konnte sie Imogen trauen? Nachher löste sie mit dem Parfüm eine noch heftigere Schreckensvision aus … Allerdings hatte Imogen ihr das Leben gerettet, was eindeutig dafür sprach, dass sie nicht die gleichen Absichten verfolgte wie ihre Tochter.
    Zögernd sprühte sie sich mit dem Parfüm ein und der unbeschwerte Duft von Maiglöckchen, Hyazinthen und roten Lichtnelken stieg ihr in die Nase. Lilith fragte sich irritiert, wie sie diese Düfte so eindeutig identifizieren konnte. Besaß ihr Hirn seit ihrer Wandlung etwa ein botanisches Duftstoff-Lexikon? Sie spürte, wie sich etwas sanft über ihren Geist legte und ihn bedeckte wie eine wattige Frühlingswolke. Eine wohlige Wärme breitete sich in ihrem Inneren aus, sie fühlte sich beschützt und geborgen. Im selben Augenblick ließ das Hämmern in ihrem Kopf nach, der Schwindel verschwand und auch die Übelkeit wurde von Minute zu Minute besser.
    Ungläubig starrte sie auf Imogens Fläschchen. Das war ja das reinste Wundermittel! Monatelang hatte sie sich mitdiesen schrecklichen Albträumen gequält und dabei hätte es nur ein paar Frühlingsblumen gebraucht, um sie fernzuhalten.
    Strychnin betrachtete Lilith besorgt. »Eure Ladyschaft, ist Euch unwohl?«
    Â»Nein, es ist alles in Ordnung.« Sie erhob sich wieder und wollte weitergehen, als vom Weiher ein Geräusch zu ihnen herüberdrang.
    Â»Vincent«, flüsterte jemand mit bewegter Stimme. »Vergib mir, mein Sohn.«
    War das damals in ihrer Todesvision auch vorgekommen? Sie konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern. Neugierig trat sie näher, darauf bedacht, keinen Laut zu verursachen. Sie schob das verdorrte Schilfgras auseinander und trotz des Bansheeparfüms sah sie Vincent auf dem Eis herumtollen. Doch seine Gestalt war durchscheinend wie die eines Geistes und auch sein Jauchzen war nicht mehr zu hören. Allerdings achtete sie nur einen flüchtigen Augenblick auf die verschwommene Erscheinung, bevor ihre Aufmerksamkeit von der Gestalt angezogen wurde, die im fahlen Mondlicht am gegenüberliegenden Ufer stand: Scrope! Mit ihm hatte sie hier am allerwenigsten gerechnet. Was wollte er hier, mitten in der Nacht?
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Vincents Geist mit weit aufgerissen Augen und einem stummen Schrei auf den Lippen durch das Eis brach und seine Gestalt vom Weiher verschlungen wurde.
    Lilith überlief ein kalter Schauer und ihre Nackenhaare sträubten sich. Obwohl sie wusste, dass es sich nur um eineVision aus der Vergangenheit handelte, konnte sie den Anblick kaum ertragen.
    Verwundert bemerkte sie, dass Scrope so intensiv auf die Einbruchstelle starrte, als hätte auch er gerade Vincent ertrinken sehen. Aber er war ein Nachtmahr, und soweit Lilith wusste, konnten nur Banshees Todesvisionen empfangen. Unvermittelt erinnerte sie sich an eine weitere Einzelheit ihrer Vision und ihr kam ein fürchterlicher Verdacht …
    Sie beugte sich noch ein Stückchen weiter vor, um das Ufer zu ihrer Linken überblicken zu können, und tatsächlich stand dort, ebenso durchscheinend, wie es Vincents Geist gewesen war, die andere Gestalt, die Lilith damals nur als menschlichen Schatten wahrgenommen hatte. Doch aus ihrem jetzigen Blickwinkel erkannte sie den Mann sofort: Es handelte sich um einen jüngeren, nicht ganz so dicken Scrope. Er war Vincents Vater! Vincent hatte ihr sogar noch erzählt, dass er nach seiner erfolglosen Suche gemeinsam mit seinem Vater hierhergekommen war.
    Aber hatte Emma nicht gesagt, er habe seinen Sohn in ein Internat geschickt? Lilith schlug entsetzt die Hand vor den Mund, als ihr klar wurde, was er in Wahrheit mit dem kleinen Jungen angestellt hatte. Trotz der Warnschilder hatte Scrope ihm erlaubt, auf das dünne Eis zu gehen, und als Vincent von dem eisigen Wasser des Teufelstopfs verschlungen wurde, hatte er nicht einmal den Versuch unternommen, seinen Sohn zu retten. Wahrscheinlich hatte er ihn als

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