Lilith Parker
oft die Möglichkeit ergeben, dass sie ihre magischen Grundkräfte, die jeder Nocturi besaÃ, anwenden konnte. Sie schloss die Augen und atmete tief und gleichmäÃig ein, genau wie Mildred es ihr beigebracht hatte â alles loslassen und an nichts anderes denken als den Fluss des Atems. Vor ihrem inneren Auge erschien das Bild des Weges, der sich vor ihnen den Berg hinaufschlängelte. Zuerst nur unscharf, doch je mehr sie sich entspannte, umso mehr Details konnte sie wahrnehmen. Dann sah sie es: Ein nachtschwarzer Schleier lag über dem Weg und verdunkelte ihn. Er schien seltsam lebendig, als würde er aus Abertausenden Würmern bestehen, die sich unaufhörlich umeinander wanden und mit ihren glitschigenblinden Köpfen suchend umhertasteten â wahrscheinlich warteten sie nur darauf, sich um ein Opfer zu schlingen. Der Anblick lieà Lilith erschaudern. Das musste die Angstschranke sein! Doch da war noch etwas anderes. Wie ein schriller Ton bohrte sich ein unangenehmes Gefühl in ihr Bewusstsein, als ob etwas in ihrem Inneren ihr mitteilen wollte, dass noch jemand anderes in ihrer Nähe war. Sie spürte die magische Präsenz von, von ⦠Lilith hatte keine Ahnung! Bis auf die von Gespinsten überzogenen Bäume und die Angstschranke konnte sie nichts Ungewöhnliches entdecken. Vielleicht täuschte sie sich auch? Immerhin war sie im Umgang mit ihren Kräften nicht besonders geübt. Blinzelnd öffnete sie wieder die Augen.
»Und?«, fragte Emma atemlos. »Hast du sie gesehen?«
»Ja, allerdings war es kein besonders schöner Anblick.«
Verstohlen sah sie sich um. Weder ein Tier noch ein Mensch schien sich in ihrer Nähe zu befinden. Sie schüttelte den Kopf und versuchte damit, das ungute Gefühl, das sich ihrer bemächtigt hatte, zu vertreiben.
»Bist du sicher, dass euch die Bonbons gegen die Angstschranke helfen?«, hakte sie nach. Sie wollte sich gar nicht erst vorstellen, wie die beiden von den nachtschwarzen Würmern eingehüllt werden würden. Doch Emma versicherte ihr, dass absolut keine Gefahr bestand, und Matt lutschte so genüsslich an seinem Kirschbonbon, dass Lilith ihm einen neidischen Seitenblick zuwarf.
»Wenn du willst, habe ich hier noch einen Kaugummi.« Er hielt ihr einen Blutkaugummi aus dem »Trick or Treat« unter die Nase.
»Wie alt ist der denn?« Lilith sah skeptisch auf den Kaugummi, der sich gerade langsam nach unten bog.
»Den hast du mir geschenkt, als Emma uns kurz nach unserer Ankunft in der Devilstreet herumgeführt hat.«
»Gut zu wissen, dass du meine Geschenke so zu würdigen weiÃt.«
»Ich wollte ihn in Ehren halten«, verteidigte sich Matt, »und für einen ganz besonderen Moment aufheben. Man bekommt schlieÃlich nicht jeden Tag so ein tolles Geschenk von der bezauberndsten Banshee in Bonesdale.«
Emma, die hinter Matt stand, presste die Lippen zusammen. Lilith glaubte, Eifersucht in ihren Augen aufflackern zu sehen, und sie versetzte Matt einen bewusst kollegialen StoÃ. »Schwätzer!«, sagte sie augenrollend. »Du weiÃt ganz genau, dass ich die einzige Banshee in Bonesdale bin!«
Der Weg zur Burg zog sich schier endlos den Berg hinauf. Schon nach den ersten Metern hielt Strychnin schwer keuchend inne, hüllte sich in eine Nebelsäule ein und verabschiedete sich mit den Worten, dass er oben auf sie warten würde. Neidisch blickte Lilith auf die sich auflösende Rauchwolke. Es war einer der wenigen Momente, in denen sie gerne mit dem Dämon getauscht hätte.
Als sie endlich auf der Bergkuppe ankamen, waren sie alle erschöpft und auÃer Atem. Zu allem Ãberfluss waren Teile des Weges von einer gefährlich rutschigen Eisschicht überzogen, sodass sie nur mühsam vorangekommen waren. Nightfallcastle thronte auf dem höchsten Felsen der Insel und unterhalb der Klippen hörte man das wütende Aufschlagender Wellen. Ein eisiger Wind zersauste Liliths Haare und zerrte an ihrer Jacke.
Matt legte den Kopf in den Nacken und betrachtete sichtlich beeindruckt die Burg. Ãber ihnen erhob sich der gezackte Burgturm wie ein verkrüppelter Finger. »Sieht ganz schön bedrohlich aus.«
Lilith schlang fröstelnd die Arme um sich. »Nicht gerade das, was man sich unter einem einladenden Zuhause vorstellt.«
»Dafür ist die Burg so groÃ, dass du jeden einzelnen deiner Socken in
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