Lilith Parker
ihrer Vorfahren, regierte nur noch der Verfall.
»Offen gestanden«, fügte Matt mit einem schiefen Grinsen hinzu, »kann ich mir auch nur schwer vorstellen, wie der fette Scrope eine Leiter hochklettert und sich behände über die Mauer schwingt.«
Die Vorstellung war tatsächlich absurd und Lilith musste unwillkürlich kichern.
»Und nun, Eure Ladyschaft?« Strychnin sah mit fragendem Blick zu ihr auf.
Sie straffte die Schultern. »Jetzt tritt Plan B in Kraft: Wir suchen im Inneren der Burg nach etwas, das uns weiterhelfen könnte, und du darfst uns zeigen, wo es langgeht.«
Strychnin hüpfte mit einem Grinsen, das von einem Dämonenohr zum anderen reichte, auf und ab. »Ich werde euch ein erstklassiger Führer sein, Hoheit, Ihr werdet sehen. Folgt mir! Ich kenne eine Abkürzung zum Eingangsportal.«
»Immer schön mit der Ruhe, übertreib es nicht mit deinem Eifer!«, ermahnte sie ihn, doch schon flitzte er davon und sein unförmiger Dämonenhintern verschwand im Dickicht.
»Also echt«, empörte sie sich. »Der kostet mich noch meinen letzten Nerv.«
»Ja, ja, sie werden so schnell erwachsen, die lieben Kleinen«, frotzelte Matt.
Kurze Zeit später standen sie vor einem etwa fünf Meter hohen Eingangsportal, das Lilith, ohne zu zögern, als protzig und angeberisch bezeichnet hätte. Es war in einen ausladenden Torbogen eingelassen, in regelmäÃigen Abständen mit spitzen Eisenkegeln versehen und kunstvolle Holzschnitzereien verzierten die Zwischenräume. Ãber dem Torbogen saÃen vier der Gargoyles, die Lilith schon beim Betrachten der Fassade aufgefallen waren, doch diese hier machten einen noch massigeren und gefährlicheren Eindruck. Aus ihrem mit Fangzähnen bewehrten Maul rollte sich eine lange gespaltene Zunge und ihre Körperhaltungwirkte so angespannt, als würden sie sich jeden Moment mit ihren fledermausähnlichen Flügeln herabschwingen und die Eindringlinge mit ihren Krallen zerfetzen.
»Die wird aber kein Zauber zum Leben erwecken, oder?«, fragte Matt unsicher.
Strychnin winkte ab. »Lasst Euch von denen nicht beeindrucken, junger Herr, diese steinernen Gesellen sorgen nur für das schöne Ambiente.«
»Schönes Ambiente?«, echote Matt ungläubig, während Emma schon vergeblich versuchte, einen Flügel des Portals aufzudrücken.
»Wer baut sich denn bitte schön so eine schwere Eingangstür?«, keuchte sie. »Wie sollen wir da nur reinkommen?«
»Durch diese Tür.« Strychnin stellte sich auf die Zehenspitzen und drehte an einem Knauf, der in Hüfthöhe angebracht und zwischen den Eisenkegeln des Portals kaum auszumachen war. Eine Tür, gerade hoch genug für einen Erwachsenen, schwang mit einem schauerlichen Knarren auf, das in der dahinterliegenden Dunkelheit um ein Vielfaches verstärkt widerhallte.
Matt pfiff anerkennend durch die Zähne. »Eine Tür in der Tür! Die Burgherrn hatten Sinn fürs Praktische.«
Emma machte sich an ihrem Rucksack zu schaffen. »Ich habe Taschenlampen dabei und ein Notfallset für magische Zwischenfälle.« Ohne weitere Erklärung drückte sie ihnen sowohl die Taschenlampen als auch zwei geschnürte Bündel in die Hände, denen ein intensiver Kräuterduft entströmte.
»Notfallset für magische Zwischenfälle?«, hakte Lilith nach.
»Nur zur Sicherheit. Wenn ein Gebäude auf St. Nephelius so lange leer steht und es niemand sauber hält, dann ⦠Ach, am besten ihr fasst nichts an und seid auf der Hut!«
Die Art, wie Emma das Wort sauber ausgesprochen hatte, lieà Lilith stutzig werden.
»Wo bleibt Ihr denn, Eure nachtschwarze Bösartigkeit?«, drang Strychnins quengelnde Stimme aus dem Inneren. »Schwingt Euren majestätischen Hintern herein!«
»Was an âºImmer schön mit der Ruheâ¹ hast du eigentlich nicht verstanden?«, brüllte Lilith zurück. »Und wenn du meinen Hintern noch einmal majestätisch nennst, gibt es Ãrger, Bürschchen!«
Sie starrte stur an Emma und Matt vorbei, die verstohlen kicherten, und trat in die düstere Eingangshalle von Nightfallcastle. Spärliches Tageslicht fiel durch ein gewaltiges Buntglasfenster, das über der Eingangstür prangte und das Wappen der Nephelius-Familie zeigte â auf schwarzem Grund leuchtete ein bernsteinfarbener Kreis, in dessen
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