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Lilith Parker

Lilith Parker

Titel: Lilith Parker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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Inneren eine blutrote Spinne saß. Das Zwielicht malte bizarre Schattengestalten auf Wände und staubbedeckte Möbel und es dauerte einen Moment, bis Lilith die Dimensionen des riesigen Raumes erfassen konnte. Spinnweben hingen wie Vorhänge von der Decke herab und die Wände besaßen schwarze Holzvertäfelungen, die mit schlangenartigen Intarsien geschmückt waren. Ein gutes Stück von ihnen entfernt erhob sich eine herrschaftliche Steintreppe, die sich nach oben hin teilte, und über dem Absatz prangteeine gewaltige Uhr, die in die Mauer eingelassen war. Ihr Grund leuchtete im Dunkelblau der Abenddämmerung und darin eingelassene Diamanten funkelten wie die Sterne der Nacht. Anstatt Zahlen bildeten zwölf kunstvoll gefertigte Sternbilder einen Kreis um die goldenen Zeiger, die an ihrer Spitze einen Halbmond trugen.
    Â»Die Uhr hat nie funktioniert«, krähte Strychnin unter ihr so unvermittelt, dass Lilith fast die Taschenlampe aus der Hand fiel. »Unzählige Uhrmacher haben versucht, sie zu reparieren, doch die Uhr von Nightfallcastle setzt sich nur dann in Bewegung, wenn große Gefahr für die Nocturi droht. Dann schlägt sie zwölf Mal und so gewaltig, dass die ganze Burg erzittert und man die Erschütterung sogar unten im Dorf spürt. Das letzte Mal schlug sie …«
    Â»In der Nacht, als der Kampf beim Schattenportal tobte und der Baron starb«, beendete Lilith seinen Satz, während sie ein kaltes Frösteln überlief.
    Matt trat neben sie und ließ seine Taschenlampe über Ritterrüstungen und in dunklem Rot gehaltene Wandteppiche schweifen. »Hier sehen Sie das Schmuckstück unseres Immobilienangebotes«, sagte er mit verstellter Stimme. »Die ruhig gelegene Vierzigzimmerburg bietet einen beschaulichen Blick auf die stürmische See mit einer Steilklippe, die jederzeit bereit ist, ihre leibliche Hülle zu verschlingen, sollten Sie sich beim Putzen zu weit aus dem Fenster lehnen. Das Haus verfügt über einen bestens ausgestatteten Folterkeller, Geheimgänge und jede Menge Außenklosetts. Zugige Flure und Schlossgespenster sind selbstverständlich im Preis inbegriffen.«
    Â»Ich würde sagen, wir nehmen sie. Oder was meinst du?«, fragte Lilith an Emma gewandt.
    Â»Nur, wenn Scrope das Fensterputzen übernimmt.«
    Strychnin zog Lilith ungeduldig am Ärmel. »Wo wollt Ihr hin, Hoheit? Ich bin bereit, Euch jedes Zimmer und jeden interessanten Winkel zu zeigen!«
    Â»Fürs Erste reicht es vollkommen aus, wenn du uns in die Bibliothek bringst.«
    Strychnin führte sie die Treppe hinauf, wo sie in einen schmalen Korridor einbogen. An den Wänden zu beiden Seiten hingen Ölgemälde, die das Antlitz einiger hochmütig blickender Personen in altmodischer Kleidung zeigen. Viele der Gemälde waren völlig verblasst, von anderen splitterte schon die Farbe ab. Lilith blieb vor einem von ihnen stehen, das einen Mann mit blasser Haut, glatten schwarzen Haaren und leuchtend blauen Augen zeigte. »Ob ich mit dem wohl verwandt bin?«, überlegte sie laut.
    Â»Das ist Sir Basilius Nephelius. Wenn ich mich recht entsinne, war er der Großonkel des Barons und verstarb recht früh durch einen mysteriösen Treppensturz. Mysteriös war es deswegen, weil sein von unzähligen Knochenbrüchen gezeichneter Leichnam nicht am Fuße der Treppe, sondern am oberen Treppenabsatz aufgefunden wurde. Man kam zu dem Schluss, dass er wohl sehr unglücklich die Treppe hinaufgefallen sei. Bis auf Euren Großvater Edward erreichte keiner Eurer Vorfahren ein hohes Alter, die meisten Nephelius’ fielen im Kampf oder wurden von Seuchen dahingerafft. Und das da«, Strychnin deutete auf ein Gemälde, das ein Skelett in Reitkleidung abbildete, »ist LadyPenelope Hollingsworth mit ihrem Lieblingspferd Sabbat. Sie war die Mutter Eurer Großmutter und fiel einem Fluch zum Opfer, deswegen auch das knochige Aussehen.«
    Lilith hatte nicht geahnt, dass dies die Folge eines Fluchs war, bei Gelegenheit musste sie unbedingt Sir Elliot darauf ansprechen. Es war mal wieder typisch für ihren Runenlehrer, dass er die wirklich interessanten Geschichten für sich behielt.
    Â»Was ist denn das?« Lilith beugte sich stirnrunzelnd über das Gemälde. Sie hatte den Eindruck, ihrer Urgroßmutter baumelte etwas aus der Nase.
    Â»Das sieht aus wie ein leuchtend roter Riesenpopel«, stellte Matt fest.

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