Lilith Parker
Mienen die an der Mauer lehnende Leiter.
»Ihr seht aus, als hättet ihr plötzlich die Hosen voll«, stellte Matt fest.
»Seit die Leiter ausgefahren ist, scheint sie gar nicht mehr so stabil zu sein, findet ihr nicht auch?«
»So steil hatte ich mir das gar nicht vorgestellt«, gab Lilith zu.
»Ich kann dort nicht hochklettern!« Strychnin schüttelte so vehement den Kopf, dass seine Backen schlackerten. »Bitte vergebt mir, Fürstin der Dunkelheit, aber ich ⦠ich habe Höhenangst. Das ist bei uns Dämonen eine weitverbreitete Phobie, was wahrscheinlich in der Beschaffenheit unserer Heimat begründet liegt.«
»Warum denn das?« fragte Matt. »Habt ihr so hohe Berge?«
»Das nicht gerade, aber â¦Â« Strychnin stockte und warf Lilith einen Hilfe suchenden Blick zu.
»Er kann dir nichts über das Schattenreich erzählen«, erklärte sie an seiner Stelle. »Bevor Zebul ihn meinem GroÃvater als Diener übergab, musste Strychnin einen heiligen Treueeid leisten. Sobald er uns etwas über das dämonische Reich oder seine frühere Dienstzeit beim Baron berichten soll, fängt er an zu qualmen.«
Strychnin nickte gequält. »Das ist sehr schmerzhaft, selbst für mich.«
»Es könnte auch eine Lüge sein«, entgegnete Emma, die dem Dämon nach wie vor misstraute. »Vielleicht behauptet er nur, dass er nichts erzählen darf?«
»Mildred und ich haben schon versucht, von ihm etwas über die Vorgänge im Schattenreich zu erfahren, doch sobald er darüber spricht, fängt er an zu qualmen wie ein Räuchermännchen. Je brisanter die Information ist, die er erzählen will, umso heftiger ist die Reaktion.«
Emma schien immer noch nicht überzeugt zu sein und so beugte sich Lilith zu Strychnin hinunter. »Wärst du so nett und beantwortest Matts Frage? Du musst ihm nur kurz von eurer Landschaft berichten, das wird sicherlich nicht so schlimm.«
Strychnin nahm seine Pudelmütze ab und setzte zögernd an: »Ich liebe meine Heimat und zugleich hasse ich sie. Es ist ein Ort, der seine Schönheiten besitzt, aber auch unwirtlich und lebensfeindlich ist â wie eure Wüsten, nur tausendfach schlimmer.« Aus den Ohren des Dämons und unter seiner Jacke quollen kleine, sich kräuselnde Dampfwolken hervor. »Der Himmel im Schattenreich leuchtet in einem tiefdunklen Rot und schwarze Wolken ziehen inrasanter Geschwindigkeit vorüber. Es gleicht einem sich ständig wandelnden Gemälde, dessen intensive Farben um die Vorherrschaft kämpfen. In diesem düsteren Zwielicht kann kaum etwas gedeihen und oft leiden wir Hunger. Fast täglich fegt der Sharav über das Land. Das ist ein Sturm, der so heiÃe Luft mit sich führt, dass jeder Atemzug wie Feuer in den Lungen brennt. Doch der Sharav hilft uns zu überleben, denn aus seiner Kraft gewinnen wir unsere Energie. Wir haben kaum Wasser, aber es ist nicht so wenig, dass wir verdursten würden â oh nein, es reicht aus, um uns am Leben zu erhalten und uns Tag für Tag einen quälenden Durst spüren zu lassen.« Er hatte sich während seiner Erzählung immer mehr in Rage geredet, mittlerweile dampfte er aus allen Körperöffnungen und der Schmerz lieà seine Stimme gepresst klingen. Lilith gab ihm ein Zeichen, dass er aufhören sollte, doch er fuhr ungehindert fort: »Das Schattenreich ist andauernden Erschütterungen ausgesetzt und oft kommt es vor, dass der Boden unter den FüÃen wegbricht und sich plötzlich eine schwindelerregende Kluft auftut, an deren Grund ein Lavastrom darauf wartet, einen Dämon zu verschlingen. Leider tötet uns die Hitze der Lava nicht. Alle, die den Abgrund hinabfallen, sind dazu verdammt, den Schmerz und die Qual ihres ewig brennenden Körpers zu erleiden. Auch ich habe auf diese Weise schon viele meiner Sippe verloren. Aber das Schattenreich lässt uns keine Zeit, ihr Schicksal zu betrauern, dafür ist das Leben dort zu hart â¦Â« Sein Redefluss brach ab und Lilith wusste nicht, ob es der Schmerz oder die traurigen Erinnerungen waren, die ihn nun endlich innehalten lieÃen.
»Das klingt ja schrecklich«, murmelte Emma sichtlich betroffen.
Zum ersten Mal wurde Lilith klar, warum die Dämonen so begierig darauf waren, das Schattenportal wieder nutzen zu dürfen. Gegen ihre Heimat schien die Menschenwelt das reinste
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