Liliths Hexenhöhle
geblieben.«
Sheila war klar, dass ihre Besucherin auf ein bestimmtes Thema hinauswollte. Nur tastete sie sich langsam heran und schien das Spiel aus Frage und Gegenfrage zu genießen. Sheila’s Meinung nach musste sie auch mehr wissen als sie bisher zugeben hatte, deshalb fragte sie: »Wie kommt es, dass du dich so gut auskennst, Corinna?«
»Man hört so viel.«
»Aber es war bei dir sehr konkret.«
»Das schon«, gab sie zu.
»Und wer mischt mit? Was sind das für Frauen? Kennst du sie vielleicht näher?«
»Tja, was soll ich da sagen?« Sie zuckte die Achseln. »Wenn du willst, dann sind es Frauen aus unserer Branche.«
»Ach? Aus unserer?«
»Aus der Modeszene.«
»Mannequins?«
Corinna schüttelte den Kopf. »Nicht unbedingt. Alles ist vertreten. Vom Mannequin bis hin zur Maskenbildnerin über die Zuschneiderin oder was weiß ich. Es ist praktisch der Untergrund dieser Szene, und er ist auf einem sehr fruchtbaren Boden gewachsen.«
Das begriff Sheila nicht ganz. »Was meinst du denn damit?«, erkundigte sie sich.
»Naja...« Corinna sprach wie eine Lehrerin, die einem Kind etwas zum wiederholten Male erklären muss. »Du kennst unsere Welt. Viele sagen, dass sie oberflächlich ist. Wenn wir ehrlich sind, stimmt das auch. Die wirkliche Welt liegt doch so fern. Da müssen wir beide uns nichts vormachen. Der Catwalk, die Feten, der Termindruck, der Stress, irgendwie muss das bewältigt werden. Die Mädchen und Frauen brauchen einfach ein Ventil, das weißt du.«
Sheila nickte. »Tabletten, Aufputschmittel, Rauschgift...«
»Genau.« Corinna erhob ihre Stimme. »Aber das ist alles großer Bockmist. Einfach Scheiße. Daran geht man schließlich kaputt. Es gibt genügend prominente Beispiele. Die sind besonders in der Szene mit Schrecken aufgenommen worden. Da haben sich die Menschen darauf eingestellt, wenn du verstehst. Sie wollten nicht mehr. Sie hassten es, diesen Weg zu gehen. Deshalb suchten sie nach einem anderen Kick. Keine Drogen, dafür etwas anderes, das aus der Rolle fällt.«
»Die Feten.«
»Richtig. Der neue Kick.«
»Hin zum Teufel!«
Corinna Heller schwieg. »Nicht unbedingt, Sheila, obwohl der Teufel eine wichtige Rolle spielt. Aber er ist nicht unbedingt der absolute Mittelpunkt. Zunächst einmal kümmert man sich um sich selbst. Es ist nicht einfach zu erklären, aber ich habe mit Frauen gesprochen, die sich eine neue Existenz aufbauen wollen. Eine die parallel zur ihrer ersten läuft. Sie müssen erst etwas Bestimmtes sein oder werden, um würdig zu sein. Das haben sie getan.«
Sheila hatte einiges gehört, aber wenig begriffen. Natürlich drehten sich ihre Gedanken, und sie verlängerte die Pause, indem sie wieder einen Schluck Wein trank. »Gibt es da möglicherweise ein bestimmtes Ergebnis, Corinna?«
Sie nickte. »Genau so ist es. Man konnte einen Schritt nach vorn gehen. Einen sehr großen und hat, wie man so schön sagt, ein Etappenziel erreicht.«
»Welches.«
Corinna Heller beugte sich vor. Sie lächelte sphinxhaft. »Ich sage nur: Hexe!«
Sheila Conolly schwieg. Sie war nicht mal sonderlich überrascht. In diese Richtung hatten sich bereits ihre Gedanken bewegt. Man konnte zu den Hexen stehen, wie man wollte, aber Hexen und auch der Teufel gehörten irgendwie zusammen. Das waren nicht zwei verschiedene Paar Schuhe, die passten an die gleichen Füße.
»Hexenorgien also?«
»Ja.«
»Zu Ehren des Teufels?«
»Nein, nein oder ja. Du solltest das nicht zu sehr auf eine Person beziehen. Der Teufel ist noch immer die große Macht im Hintergrund, aber es gibt noch jemand davor, den man als eine große Mauer bezeichnen kann. Eine zweite Person, nicht männlich, aber dem Teufel sehr zugetan. Vielleicht sogar seine engste Vertraute.«
»Lilith!«
»Bravo!« Beinahe hätte Corinna in die Hände geklatscht. Stattdessen hob sie mit einer schwungvollen Bewegung ihr Weinglas an und trank Sheila zu. Bei ihr allerdings sah es so aus, als wollte sie der imaginären Lilith zuprosten.
»Sie?«, hauchte Sheila.
Corinna stellte das Glas ab. »Das ist der neue Kick, nach dem sie gesucht haben. Kein weißes Pulver. Keine Tabletten, die high machen. Lilith ist einfach hip.«
»Furchtbar«, flüsterte Sheila.
»Was sagst du?«
»Schon gut, vergiss es.«
»Gewisse Frauen lieben sie, wenn sie einmal Kontakt mit ihr aufgenommen haben. Lilith gibt ihnen Kraft. Sie gibt ihnen das gute Gefühl, und sie sorgt dafür, dass sie sich wehren können. Wer zu Lilith gehört, der besitzt
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