Liliths Hexenhöhle
auf die Wand zu. Aber ich tat es nicht allein. Auch Bill Conolly und Suko wollten mich in die neue Welt begleiten. Hinter meinem Rücken mussten sich die beiden abgesprochen haben.
Bei mir klappte es.
Bei ihnen nicht.
Ich hörte Bill noch fluchen, dann hatte ich plötzlich das Gefühl, von Kunststoff umgeben zu sein. Er floss um mich herum, er weichte mich auf, ich bekam plötzlich keine Luft mehr. Alles um mich herum wurde eng, und dann hatte mich der lange Schacht verschlungen...
***
Es war spät, aber nicht zu spät, als Sheila die Tür öffnete. Sie wusste nicht, ob sie sich richtig verhalten hatte, denn das schlechte Gewissen quälte sie schon. Sie hatte hinter dem Rücken ihres Mannes Dinge getan, die er sicherlich nicht gutheißen konnte. Sie war dabei mit dem Kopf durch die Wand gegangen und hatte – trotz vieler Nachfragen – ihm nicht die Wahrheit gesagt. Sheila war eine Frau, die ihre Versprechen einhielt, und sie hatte ihrer Informantin versprochen, den Namen nicht preiszugeben.
Damit aber war die Sache nicht erledigt. Denn die Informantin, sie hieß Corinna Heller, wollte sich nicht zurückziehen, sondern bei Sheila bleiben.
Das war ihr zwar ungewöhnlich vorgekommen, denn so vertraut war das Verhältnis zwischen den beiden auch nicht, aber Corinna hatte nicht lockergelassen und Sheila weichgekocht.
Jetzt stand sie vor der Tür. Sie war nicht mit einem Auto gekommen, sondern hatte sich für einen dieser Roller entschieden, die man immer öfter in der Stadt sah, weil man damit besser durch kam und die Lücken ausnutzen konnte.
Corinna hatte ihren fahrbaren Untersatz neben der Eingangstür abgestellt. Als Sheila ihr öffnete, war sie dabei, das dunkelrote Kopftuch abzustreifen. Sie lächelte auch und schüttelte ihr kurzes Haar, das zudem sehr lockig wuchs. Es waren hellblonde Naturlocken.
Corinna Heller arbeitete in der Modebranche. Sie war dreißig, unverheiratet und eine gefragte Schneidermeisterin, die vor allen Dingen auch Kreativität besaß und sich das sehr schnell in der Praxis vorstellen konnte, was sich die Designer ausdachten. Deshalb gehörte sie auch zu den Frauen, die ständig ausgebucht waren und vor den Präsentationen und Messen immer einen verdammt langen Tag hatten.
An diesem Abend hatte sie frei. Sie war auch nicht geschminkt. Selbst dann hätte sie wenig fraulich gewirkt, denn sie war einfach zu dünn und auch zu groß. Sie überragte Sheila um eine halbe Kopflänge. Ihr Gesicht war blass, auf der Haut verteilten sich die Sommersprossen als orangefarbene Flecken, die ebenso blass waren wie ihre etwas breiten Lippen.
Für Sheila hatte sie früher mal gearbeitet, als Bill’s Frau noch intensiver im Geschäft gewesen war. Sheila hatte ihre handwerklichen Fähigkeiten schätzen gelernt. Sie hatten sich auch privat einige Male getroffen. So wusste Sheila einiges über Corinna, und umgekehrt war es ebenso. Deshalb hatte sich Corinna auch an Sheila Conolly gewandt, da ihr bekannt war, womit sich deren Mann beschäftigte, der immer auf der Suche nach den besonderen Fällen war.
»Dann komm mal rein.«
»Danke!« Auf der Schwelle blieb sie stehen. »Was ist mit deinem Mann, Sheila?«
»Er ist weg.«
»Gut. Und?«
»Du weißt wohin?«
»Dann hast du ihn überzeugen können?«
»Na klar.«
»Sehr gut.«
Sheila verstand nicht ganz, weshalb sich Corinna Heller so erleichtert zeigte, aber sie nahm es hin und ließ die Besucherin eintreten. Corinna trug eine rehbraune Hose, einen weißen Sommerpullover, großmaschig gestrickt, und zog jetzt die graue Windjacke mit den vielen Taschen aus und hängte sie an die Garderobe.
»Ich habe uns Tee gekocht. Aber wenn du etwas anderes willst, Alkohol wie Wein oder...«
»Wein wäre nicht schlecht.«
»Schön. Roter oder...«
»Roter ist super.«
»Abgemacht.«
»Wo soll ich hingehen?«
»Geh einfach durch ins Wohnzimmer und suche dir dort einen Platz aus. Leider ist es zu kalt, um draußen zu sitzen. In diesem Sommer ist das schon der reine Luxus. Bei warmem Wetter macht das sogar in der Dunkelheit Spaß.«
Allmählich wurde es dunkel. Der Himmel verlor auch seinen letzten Rest an Tagesfärbung, sodass die Nacht wie von einem mächtigen Schieber geschoben alles übernahm.
Sheila ging in die Küche. Dort hatte sie immer einige Flaschen des dunklen Weins parat stehen. Sie dachte kurz über Corinna nach und wunderte sich auch jetzt darüber, dass sie sich so intensiv nach Bill erkundigt hatte. Wahrscheinlich wäre sie wieder
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