Liliths Kinder
Gesicht. Und das wollte er nicht, niemals.
Er hörte, wie sie sich auf ihr Lager zurücksinken ließ, vernahm ihr fast lautloses Schluchzen und beeilte sich, aus der Hütte zu kom-men, weil er meinte, das Herz müsse ihm in der Brust zerspringen.
Aber er mußte tun, was er sich zur Pflicht gemacht hatte. Schließ -lich tat er es nicht nur für sich und nicht einmal nur für seine Familie - sondern letztlich für jeden einzelnen Menschen in Mayab.
Trotzdem haßte er es, mit niemandem darüber reden zu können. Xoc gegenüber empfand er sein Schweigen und seine schalen Ausflüchte als schändlich, und ihm war - dem hehren Ziel zum Trotz -ganz elend, wenn er an seine Frau dachte, die er einmal mehr allein mit ihrer Angst zurückgelassen hatte - wie schon in so vielen Nächten zuvor.
Vador hatte sich ein ganzes Stück von seiner Hütte entfernt, als er vor einem dichtgewachsenen Strauch stehenblieb. Er bückte sich, drückte Zweige zur Seite und zog dann jenes Bündel Maiskolben hervor, das er am Abend vom Feld geholt hatte - nicht jedoch für seine Familie, wie er Copan gegenüber erklärt hatte.
Dann eilte er weiter, jede Deckung nutzend, und ab und an verhielt er, um sich zu vergewissern, daß niemand ihn entdeckt hatte. Wenn er meinte, sicher zu sein, lief Vador weiter, bis er sein Ziel schließlich erreichte.
Die Hütte stand etwas abseits, von hochwachsendem Gesträuch abgeschirmt. Kopfgroße Löcher klafften im Dach, und die Mauern begannen sich zu neigen. Nachdem der einstige Besitzer gestorben war, vor etlichen Jahren schon, war niemand hier eingezogen, und so stand die Behausung seither leer und verfiel allmählich.
Zu einem Zweck jedoch war sie jedoch gerade deswegen bestens geeignet .
An der Tür sah Vador sich noch einmal sichernd um, dann schlüpfte er hindurch und drückte den Bretterverschlag hinter sich zu.
Durch die Lücken im Dach sickerte genügend Licht herab, daß Va-dor nicht blind umherstolpern mußte; zudem war er oft genug hier gewesen, um jeden Fußbreit Boden zu kennen.
Als es dumpf und hohl unter seinen Füßen klang, trat er einen Schritt zur Seite, legte den Mais zu Boden und beugte sich dann vor, um das Holz zu entfernen, mit dem ein Erdloch abgedeckt war, in dem früher Nahrungsmittel gelagert worden waren.
Heute war das Loch, groß genug, um einem Menschen Platz zu bieten, allerdings leer. Vador sprang hinein - - und wieder klang ein hohler Laut auf, ungleich lauter diesmal und ein vages Echo nach sich ziehend!
Im Winkel zwischen Wand und Boden kniend machte Vador sich an einer weiteren Abdeckung zu schaffen. Mehrere Bretter waren zu einer Platte aneinandergefügt worden, die Vador wie eine Falltür aufklappen konnte.
Schweigend richtete er sich dann auf, nahm die Maiskolben wieder an sich - und wartete.
Nicht lange. Dann drangen Geräusche an sein Ohr. Jedem anderen wären sie gespenstisch vorgekommen, hätte er hier im Finstern kauern müssen. Vador jedoch waren sie vertraut geworden in den Jahren, da er nun schon von ihrer Existenz wußte.
Eines Nachts - er wußte nicht, wie lange sie nun schon zurücklag -hatten sie sich bei ihm gemeldet. Ihm erklärt, wer sie waren. Und ihn um Hilfe gebeten, die er ihnen nicht hatte verweigern können. Weil ihr Schicksal ihm Mitleid abgerungen hatte - und Bewunderung! Denn sie hatten etwas geschafft, von dem er sein Leben lang nur hatte träumen können - sie waren frei! In gewisser Weise zumindest Seitdem versorgte Vador sie mit Nahrungsmitteln, und er wußte, daß sie neben ihm weitere Helfer hatten. Doch Vador kannte nicht einen von ihnen. Auch diese Maßnahme trug dazu bei, das Geheimnis ihrer Existenz zu wahren.
Auch gesehen hatte Vador sie selten einmal. Ihr Kontakt beschränkte sich schon des Risikos wegen aufs Allernötigste und lief zumeist in jener Weise ab wie auch heute Nacht wieder.
Das Schleifen und Schnaufen zu Vadors Füßen wurde lauter, kam näher, und schließlich bewegte sich etwas in der Schwärze des Loches, das sich tief ins Erdreich hinein als Gang fortsetzte.
Eine Stimme wisperte kaum vernehmlich aus dem Dunkel. »Ewige Nacht hat mich befreit -«
»- und ich leide im Licht der nächtlichen Sonne«, vollendete Vador die geheimen Worte, an denen sie einander erkannten.
Schweigend reichte Vador die Feldfrüchte in das Loch hinab, wo sie ihm von Händen abgenommen wurden. Als er den letzten Kolben hinuntergereicht hatte, hätte der andere sich eigentlich zurückziehen und Vador die Öffnung wieder abdecken
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