Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Augenbrauen. Eine Frau, die bei aller Athletik des Körpers in keiner Weise männlich wirkte. Man brauchte sich einfach nur vorzustellen, daß ursprünglich Frauen Mammutjägerinnen gewesen waren und man darum sagen konnte, wenn heutige Männer sich als Kämpfernaturen erwiesen, kräftig, aber nicht klobig, energisch, dennoch erhaben, daß sie dann, solche Männer, an Frauen wie Esha Ness erinnerten.
Diese in einem früheren Leben als Mammutjägerin tätig gewesene Majestät hob den Kopf an, lehnte sich zurück, kaute ruhig zu Ende, schob Floyds Kopf tiefer in die Spalte zwischen Busen und Schulter, schluckte hinunter und fragte Desprez, was er wolle.
»Wir haben ein Problem«, sagte der kleine, stolze Franzose.
»Ach je, ein Problem also. Du weißt, Henri, was ich von Problemen halte.«
»Wir müssen nicht darüber reden.«
»Das habe ich nicht gesagt. Also, was ist?«
»Wir hatten Stransky.«
»Wir hatten ihn?«
»Ja, unser Mann aber … er hat ihn nicht liquidiert. Im Gegenteil. Er scheint zu versuchen, Stransky außer Landes zu bringen. Er beschützt ihn. Hat bereits jemand getötet, einen Taxifahrer, der zu uns gehörte. Jetzt ist jeglicher Kontakt abgebrochen. Wir können nicht sagen, in welche Richtung sich die beiden bewegen. Bloß Vermutungen anstellen.«
»Wer ist das, der meint, Stransky retten zu müssen?«
»Vartalo, ein Finne. War von Anfang an in unserer Mannschaft. Eigentlich ein verläßlicher Mann.«
»Findest du?«
»Bisher.«
»Das macht es doch eigentlich schlimmer«, meinte Esha Ness. »Wenn man bedenkt, wie gut sich dieser Finne auskennen muß, wenn er denn von Beginn an dabei war. Das sind genau die Schlampereien, die ich hasse. Leuten zu vertrauen, nur, weil man sie seit Ewigkeiten kennt.«
»Man kann nicht in einen Menschen hineinschauen.«
»Nicht?«
»Sagen wir so«, verteidigte sich Desprez, »mir fehlt die Zeit, in jedermanns Seele zu wühlen. Außerdem glaube ich kaum, daß die andere Seite Vartalo gekauft hat. Das wäre gegen die Regeln.«
»Natürlich hat man ihn nicht gekauft. Er ist einfach umgefallen. Und genau das, daß einer demnächst umfällt, kündigt sich an. Wenn ein Blatt in Kürze vom Baum fällt, sieht man das dem Blatt an, nicht wahr? Das weiß jedes Kind, wenn es den Unterschied zwischen Sommer und Herbst begriffen hat.«
»Ein Söldner ist kein Blatt«, widersprach Desprez.
»Natürlich ist er das. Man muß nur genau hinschauen, Henri. Auch dafür bezahle ich dich, fürs genaue Hinschauen. Dafür, daß du zwischen Sommer und Herbst zu unterscheiden verstehst.«
»Ich glaube nicht, daß Vartalo und Stransky weit kommen werden.«
»Warum sagst du das? Um mich zu besänftigen?«
»Ich denke positiv«, sagte Desprez. »Außerdem kann man nicht verlangen, daß bei der achten Batmanfigur alles glattgeht. Die achte Figur ist immer die schwierigste.«
»Nonsens«, erwiderte Esha und blickte hinunter auf Floyds dünnes, strohblondes Haar, das kreuz und quer lag. »Die achte Figur ist nicht schwieriger als irgendeine andere. Das ist Aberglaube. Hätte es bei der dritten Figur ein Problem gegeben, hätte es geheißen, das ist so, weil am dritten Tag die meisten Unfälle geschehen. Wie gesagt, Nonsens. Du hast einfach nicht aufgepaßt, Henri. Und ich frage mich, ob du zu alt für den Job bist.«
»Ich bin nicht zu alt.«
»Deine Haut ist grau.«
»Meine Haut war immer schon grau«, erklärte Desprez.
»Immer schon? Armer Henri.«
»Ich kann damit leben.«
»Damit vielleicht, aber weniger damit, zu scheitern.«
»Ich werde nicht scheitern.«
»Wenn aber doch, nützt es mir nichts, dich hinterher dafür zu bestrafen. Ich will nicht bestrafen, ich will gewinnen. Und wie wichtig es ist, Mitarbeiter zur rechten Zeit auszuwechseln, beweist ja gerade unser Herr Vartalo.«
»Ich fliege selbst in den Jemen«, sagte Desprez, »und übernehme die Operation vor Ort. Ich mag eine graue Haut haben, aber ich bin darum lange noch kein Herbstblatt.«
»Stimmt«, erwiderte Esha. »Du bist kein Blatt, du bist ein Apfel. Ein Boskop.«
»Was für ein Boskop?«
»Ein Apfel, der einen gräulichen Schimmer besitzt. Und der alt aussieht, bevor er es noch ist.«
»Na gut, wenn du willst, bin ich ein Boskop, aber einer, der am Ast klebt«, sagte Desprez und bestand nochmals darauf, sofort in den Jemen zu reisen.
»Ich sollte jemand anders schicken«, sagte Esha nachdenklich, mehr zu Floyd als zu Desprez sprechend.
»Ich bin der Beste«, sagte der Franzose. Franzosen
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