Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Gotham City, eine solche Figur könnte ein Glücksbringer sein? Ein Schutzengel? Ein magisches Objekt?
Stransky holte das Ding aus der Tasche und wog es in seiner Hand. Gerne hätte er es gegen den Fisch eingetauscht. Der Fisch war hübscher und handlicher, wohl sehr viel besser als Talisman geeignet.
Jetzt fiel Vartalos Blick auf die Batmanfigur. Er lächelte mit der rechten Ecke seines Mundes und sagte: »Ah, da ist ja der Schlüssel.«
»Schlüssel? Was für ein Schlüssel?«
»Zehn tote Batmans ergeben einen Schlüssel. Aber ein lebender Batman ergibt ebenfalls einen Schlüssel. Niemals aber neun tote Batmans. Sie sehen: In diesem Spiel hat das Leben eine große Macht. Und noch etwas: Dieser Schlüssel, Ihr Schlüssel, wenn Sie denn überleben, ist ein Schlüssel, mit dem man nichts aufsperren, aber sehr viel zusperren kann.«
»Muß ich verstehen, was Sie da reden?«
»Wenn es dazu kommt«, erklärte Vartalo, »daß Sie es verstehen müssen, werden Sie’s auch.«
Stransky seufzte und steckte den Anhänger zurück in seine Hosentasche. Dann verlangte er eine Zigarette.
Ein denkwürdiger Tag. Sein erster Toter. Seine erste Zigarette. Manchmal will das Leben es wirklich wissen.
8
Königin mit Kind
»Scheiße! Scheiße! Scheiße!« brüllte Henri Desprez. Er hätte gerne noch zwanzig Mal selbiges Wort in sein Handy hineingeschrien. Aber dreimal war einfach genug. Alles in der Welt, was mehr als dreimal gesagt oder getan wurde, war eine Peinlichkeit. Etwa, wenn jemand mehr als drei Bücher schrieb oder sich mehr als dreimal verheiratete oder ein Sportler ein viertes oder fünftes Mal Weltmeister wurde. Wie oft wollte man denn Weltmeister werden? Bis die Leute es schon nicht mehr hören konnten. Es ist ganz bezeichnend, daß ein kultivierter und intelligenter Mensch wie Muhammad Ali sich mit drei Welt meistertiteln begnügte, höchstwahrscheinlich mit Absicht gegen Larry Holmes verlor, während Figuren wie der Radfahrer Armstrong und der Autofahrer Schumacher sich in unmäßiger Wiederholung des Triumphs geübt und auf diese Weise ihr eigenes Porträt zermalt und zermahlen haben.
Nein, dreimal »Scheiße!« gesagt zu haben mußte ausreichen. Ohnehin hatte der Kerl am anderen Ende der Leitung verstanden, daß es eine höchst unangenehme Nachricht war, die er da an seinen Chef durchgegeben hatte.
Desprez war ein eher kleiner, sehr schlanker Mann mit einem silbergrauen, künstlichen Gesicht. Mehr eine Skulptur von Gesicht, aber eine Skulptur ohne Glanz, ohne spiegelnde Fläche. Holz, das Metall imitiert, ziemlich kalt. Dazu Haare von der Farbe umgepflügter, feuchter Erde, allerdings glatt und akkurat. Er trug einen honigfarbenen Anzug von erstbester Qualität und kleine, hellbraune Schuhe, geradezu Schühchen, als sei er in Wirklichkeit eine verzauberte Geisha. So hart und kalt er anmutete, wirkte er nicht minder zerbrechlich, wie das bei Statuen und Geishas nun mal der Fall ist.
Er führte das Handy, das er im Ärger von sich gestreckt hatte, wieder an Mund und Ohr heran und gab die Anweisung, daß Stransky auf keinen Fall lebend den Jemen verlassen dürfe. Dann legte er auf, wie das früher ausgedrückt worden war, als man Telefone noch aufgelegt hatte.
Natürlich war noch nichts verloren, selbst wenn es Vartalo gelingen sollte, Stransky von der Arabischen Halbinsel herunterzubringen. Da lag dann noch die halbe Welt dazwischen. Doch Desprez spürte, daß die Sache diesmal ein wenig schwieriger werden würde. Ganz typisch dafür, wenn man in die Zielgerade bog und sich plötzlich Fehler einschlichen. Stransky war der achte Stein in diesem Spiel. Die Acht war seit jeher ein Problem. War die Acht einmal erledigt, waren die Neun und die Zehn gemähte Wiesen. Jagdwild, das praktisch von allein umfiel. Das von selbst starb. Aber soweit war man eben noch nicht. Darum Desprez’ Nervosität. Ganz abgesehen davon, daß er die schlechte Nachricht nun an Ihre Majestät zu überbringen hatte.
Er stand im Toilettenraum. Er ging stets aufs Klo, wollte er telefonieren. Einer seiner Leute blockierte dann die Türe, damit Desprez Ruhe hatte. Toiletten waren die einzigen Orte, an denen er sich sicher fühlte. Nicht, daß er sich je auf eine dieser Klobrillen gesetzt oder je in eins dieser Urinoirs, die ein gewisser Marcel Duchamp ins Licht der Kunst gestellt hatte, gepinkelt hatte. Wie gesagt, er war eine Statue, wenn auch eine bewegte. Er pflegte nicht zu pinkeln. Er pflegte zu telefonieren.
»Ganz ruhig«, sagte
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