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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Kessel, in dessen äußerster Bahn die Kugel dahinraste. Das surrende Geräusch dieser Bahnbewegung stieg gleich einem beißenden Geruch in die Höhe, Richtung Restaurator, der fortgesetzt eine besonders hartnäckige Stelle zu reinigen versuchte. Eine Stelle, die sich mehr widersetzte als alle anderen zuvor. Er rieb und rieb, aber nichts tat sich. Ihm kam vor, als würde er den Dreck bloß polieren, ohne auch nur ein Partikel davon entfernt zu haben. Die überdeckte Malerei blieb so gut wie unsichtbar. Obgleich der Restaurator überzeugt war, daß sich unter dieser »blinden Fläche« eine Fledermaus befinden mußte. Sieben davon hatte er bereits freigelegt. Ein merkwürdiges Bild für ein Bahnhofscafé. Andererseits stammte es aus der Zeit des Symbolismus. Und Fledermäuse waren nun mal bestens geeignet, um eine ganze Menge zu symbolisieren.
    Ehrlich gesagt, war dieses Gemälde schlichter Mist. Schlecht komponiert und schlecht gemalt. Das wußte der Restaurator. Indessen funktionierte es als Teil eines Ensembles. Und funktionierte in dieser Hinsicht wiederum ganz gut. Im Gegensatz zu jener gräßlichen Selbstbedienungstheke. Sehr viel besser paßte da der Spieltisch, der, obwohl ebenfalls eine späte Hinzufügung, eine Art peripheres Zentrum bildete, eine Sonne, eine Sonne am Rande, nahe der Türe, die hinaus in die Empfangshalle führte.
    Der Restaurator sah hinunter auf die Drehscheibe des Kessels. Soeben brach die Roulettekugel aus ihrer Ideallinie, schlug gegen eines der kleinen, sternförmigen Hindernisse, überflog den Kreis aus Zahlen, torkelte noch ein wenig über die offenen Gräber, die vor sechsunddreißig Zahlen und einer exaltierten Null klafften, um sich schließlich in jener Grube zur Ruhe zu betten, die der Zahl Fünf vorgelagert war.
    Natürlich stand der Restaurator viel zu weit oben, um erkennen zu können, wo genau die Kugel gelandet war. Er wußte es nur, weil er jetzt auf die elektronische Anzeige blickte. Die Fünf war keine von den Zahlen, die er mochte. Die Fünf hatte etwas Uneindeutiges, Verschwommenes. Man stelle sich vor: fünf Reiter, die am Horizont eines Italo-Westerns auftauchen. Wären es acht, neun oder mehr, würde man augenblicklich zum Maschinengewehr greifen. Bei einem oder zwei, selbst noch bei drei, seinen Colt ziehen. Bei fünf aber …? Fünf war einfach eine blöde Zahl.
    Er wandte sich wieder dem Bild zu, von dem er nicht sagen konnte, was genau es bedeutete. Klar, hier war eine Landschaft zu sehen, hohe Bäume, hohes Gras, eingetunkt in das gelbliche Licht eines Mondes, der unnatürlich groß auf einem schmutzigrosa Nachthimmel klebte, mehr ein Gasriese als ein Mond. Die Fledermäuse segelten auf halber Höhe, einer hinter der anderen, auf einen bogenförmigen Spalt zwischen den Bäumen zu. Hinter dem Spalt loderte ein Feuer, wobei dieses Feuer zu schweben schien. Man konnte über dem Feuer ein Schwert erkennen, das nun ganz sicher schwebte. Offenkundig war die Waffe aus den Flammen geboren. Was aber hatten die Fledermäuse für eine Funktion? Pures Dekor? Simpler Horror? Hätten es ebensogut Krähen sein können? Der Restaurator wußte es nicht. Auch fragte niemand danach. Er sollte dieses Bild reinigen, keine Studie darüber verfassen. Aber genau das mit dem Reinigen schien nun plötzlich nicht mehr zu funktionieren. Der Dreck klebte fest. Wie eingebrannt.
    Der Restaurator ließ den Lappen fallen. Man würde wohl zu härteren Methoden greifen müssen.

9
    Pink Lady
    Von Sanaa bekamen Steinbeck und Kallimachos nicht viel zu sehen. Am Flughafen angekommen, bat man die beiden, in einen Hubschrauber umzusteigen. Ein Militärgerät, das alles mögliche an Gedanken provozierte, nur nicht den, Fliegen sei eine sichere Angelegenheit. Die Kiste bewegte sich wie alkoholisiert durch die Luft. Der Pilot war bester Laune, in der Art eines fröhlichen Gespensts, welches nichts zu verlieren hatte, jedenfalls nicht das eigene Leben.
    Man überquerte die Hauptstadt, die aus der Höhe einen gezuckerten Eindruck machte, und flog hinein ins Gebirge, mitunter viel zu nahe an die Felsen geratend. Der Pilot lachte. Er wollte etwas bieten für sein Geld. Irgendwann klopfte ihm der Mann, der Steinbeck und Kallimachos abgeholt hatte, auf die Schulter und gab ihm zu verstehen, es reiche. Der Pilot steuerte sein Gerät von den Kanten und Zacken weg, nahm eine direkte Linie und landete schließlich auf einem Platz inmitten einer alten Festung. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis man Spiridon

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