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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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explodierte einen Bruchteil später. Es war laut und heiß und zeigte, wie wenig diese Raketen Freunde der Menschen waren.
    Manche Menschen freilich bleiben immer und überall unverletzt. Was wohl kaum daran liegt, das alles an ihnen – Sorgen, Projektile, Bombensplitter – einfach abprallt. Das wäre Comic oder Parodie. Nein, vielmehr scheint es so zu sein, daß die Dinge selbst, die Sorgen, Projektile und Splitter solchen bestimmten Menschen ausweichen, nichts mit ihnen zu tun haben wollen, lieber den Kopf einziehen, als auf oder in ihnen zu landen. Aus Angst oder Ekel, wer kann das schon sagen, wer kann sich schon in einen solchen Bombensplitter hineinversetzen? Aber das gibt es nun mal. Derartige Leute, Leute, die den Dingen unsympathisch sind, stehen einfach da und überleben, steigen unverletzt aus eingebrochenen Schächten und abgestürzten Flugzeugen, verschlafen ganze Katastrophen, befinden sich immer dort, wo ein Kugelhagel gerade nicht hinreicht oder eben nicht hinreichen will. Sie sind aber nicht, wie ein Film mit Bruce Willis uns weismachen möchte, unzerbrechlich , sondern unberührbar . Das ist ein Unterschied. Es ist nicht ihr Fleisch, sondern der Geist ihres Fleisches, der sie unverwundbar macht.
    Ein solcher Mann war Spiridon Kallimachos.
    Im Moment der Explosion war der Grieche nicht unwesentlich weiter von dem Helikopter entfernt als die beiden bewaffneten Männer, welche sofort tot gewesen waren. Und er stand sehr viel näher denn Lilli Steinbeck und der über sie gebeugte Belmonte. Aber weder traf ihn irgendein Teil, noch wurde er von der Druckwelle umgeworfen. Nicht, weil er ein aufgeschwemmter Superman war, sondern da eben auch die Druckwelle einen Bogen um ihn machte. Kallimachos stand mit dem Rücken zum Hubschrauber, die Augen halb geschlossen, und bekam zunächst gar nichts mit. Allein seine Zigarette katapultierte es wie den Stöpsel eines Druckluftgewehrs aus seinem Mund heraus. Und man mochte meinen, daß es dieser Umstand einer herausgeschleuderten Zigarette war, der Kallimachos aus seinem Tagtraum riß. Er drehte sich um und sah in das Feuer, das an ihm vorbeiflammte, ein wenig überrascht, dann aber peinlich berührt. Es war ihm schließlich kein Geheimnis, sein Geheimnis. Er kannte sich aus, obgleich das die erste Rakete war, die er überlebte. Aber er hatte schon schlimmere Dinge überstanden. Er wußte also, daß er anders war. Er wußte, daß man ihn nicht umbringen konnte. Zumindest nicht mit den üblichen Mitteln.
    Weniger glücklich verhielt es sich leider mit jenem Mann, der Belmonte hieß. Er lag auf Steinbeck und rührte sich nicht. Sein Kopf lag schräg auf ihrer Brust. Blut tropfte aus seinem Mund, die geweiteten Augen starrten und glänzten wie ausgestellte alte Münzen, und von seinem Rücken stieg Rauch. Irgendein verbranntes Teil, ein Hubschrauberfragment, war in Belmonte eingedrungen und hatte ihn tödlich verletzt. Steinbeck mußte sich gehörig anstrengen, um den Körper von sich herunterzuschieben. Sie selbst allerdings war vollkommen unverletzt geblieben. Aber eben nicht, weil sie unverwundbar war, sondern eine Dame, für die ein Herr sich geopfert hatte. Kallimachos’ Überleben stand für die Wunder der Natur, Steinbecks Überleben für die Wunder der Kultur.
    Im Schutze des Qualms lief nun Steinbeck hinüber zu dem Detektiv, betrachtete ein wenig verblüfft dessen von keinem Herrn Belmonte begründete Unversehrtheit, fing sich aber schnell und erklärte, man müsse sich beeilen, von hier wegzukommen. Das sei möglicherweise nicht die letzte Rakete gewesen.
    »Sie wissen, daß ich nicht laufen kann«, sagte Kallimachos, unglücklich darüber, sich auf einen Stock anstatt auf sein Wägelchen stützen zu müssen.
    Steinbeck ignorierte den Einwand und stieß Kallimachos an, trat ihn geradezu in den Hintern. Er kam in Bewegung, langsam, aber doch. Immerhin erreichte man gerade noch die Pforte eines der turmartigen Gebäude, als tatsächlich eine weitere Granate einschlug. Steinbeck flüchtete ins Dunkel und hinein in den Schutz des Gemäuers. Kallimachos aber blieb im offenen Torbogen stehen und zündete sich eine Zigarette an. Manchmal wollte er sich einfach testen. Nun: Da war kein Sandkörnchen, das ihn auch nur streifte. Es war wie immer.
    Endlich folgte Kallimachos Steinbeck tiefer in das Innere, was er rasch bereute. Denn so unverwundbar er sein mochte, war er dennoch ein gebrechlicher, alter Mann, der sich schwer damit tat, einen unebenen Weg zu begehen,

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