Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Seiten dunkel wie geräuchertes Fleisch. Man hätte sich mit diesem Papier nicht mal seinen Hintern auswischen mögen. Dennoch hatte jemand das Buch durchgesehen. Dies erkannte Steinbeck augenblicklich. Der Staub der Jahre war durcheinandergekommen. Dieses Durcheinander war ein sichtbar frisches.
    Steinbeck überprüfte Seite für Seite. Es dauerte nicht lange, da fand sie, was sie insgeheim erhofft hatte: eine Notiz. Eine Notiz in deutscher Sprache, geschrieben in kleinen, unregelmäßig geneigten, aber überaus korrekten und gut leserlichen Lettern, die eine ganze Seite einnahmen, ein relativ helles Foto verdeckend, welches Händler auf einem Markt zeigte. Diese Handschrift war eine Handschrift für Leser. Das heißt, sie wollte und sollte gelesen werden, auch wenn der Verfasser in seinem Begehren deutlich schwankte:
    Ich nehme nicht wirklich an, daß jemand diese Zeilen liest. Und wahrscheinlich wäre dies auch das beste für mich, wenn niemand sie liest, bevor jemand Falsches sie liest. Denn einige Leute versuchen mich zu töten. Ohne, daß ich den Zweck erkennen kann. Tatsächlich scheint ein solcher Zweck im gewohnten Sinn gar nicht zu bestehen. Niemand ist böse mit mir, niemand will sich rächen oder mir etwas nehmen. Ich besitze keinen Mikrofilm, spioniere für keinen Schurkenstaat, kenne keine Formel, auf die ein Schurke es abgesehen haben könnte. Nichts davon. Ich stelle in dieser Angelegenheit bloß eine Figur dar, die auch genauso gut ein anderer sein könnte. Aber die Wahl ist nun mal auf mich gefallen.
    Ich will eines gesagt haben: Ich liebe meine Frau, und ich liebe meine Tochter. Ich wüßte nicht, was sonst noch zählen würde. Bei einem Lebewesen, dessen einzige Funktion darin besteht, sich fortzupflanzen, auch kein Wunder. Der Rest ist Ablenkung und Zierde.
    Somit ist auch das, was mit mir nun geschieht, Ablenkung und Zierde. Ein Theater, könnte man sagen. Freilich würde ich dieses Theater gerne überleben. Und beinahe wäre ich auch schon gestorben, hätte sich der Mann, der mich töten sollte, nicht dazu entschlossen, das Gegenteil zu tun. Er heißt Vartalo. Er ist mir unheimlich und fremd. Ein Killer – ohne jeglichen Respekt, in jeglicher Hinsicht.
    Und dieser Killer ist entschlossen, mich nach Hause zu bringen. Gott weiß warum. Aber nicht auf dem direkten Weg, nicht mit dem Flugzeug, nicht Richtung Ägypten. Der direkte Weg, so meint er, führt direkt in die Hölle. Für ihn in die Hölle, für mich in einen raschen Tod. Also werden wir einen Umweg machen. Ich habe Vartalo überredet, als erstes zu versuchen, nach Mauritius zu gelangen. Ich kenne die Insel ganz gut. Ich bin Spezialist für Tiere, die es nicht mehr gibt. Und Spezialist für Tiere, die es eigentlich nicht mehr geben dürfte. Darum Mauritius, wo ich bereits einige Male war. Nicht zuletzt der Dronte wegen, die von ihrer Entdeckung an keine hundert Jahre brauchte, um auszusterben. Ich mag diese Vögel, die so leicht dahinschwinden, Riesenalken und Dronten, flugunfähig, eineiig (ich meine, daß sie nur ein Ei legen), wagemutig friedfertig, unvorbereitet auf die überraschende Wendung im Leben, unvorbereitet auf den Menschen. So ist die Natur manchmal, selbstverliebt und widersprüchlich, nicht nur eineiig, sondern auch blind, richtiggehend planlos.
    Mauritius also. Ich verfüge dort über den einen oder anderen kleinen Kontakt. Von Mauritius aus wird es leichter sein, eine Startrampe nach Europa zu bauen. Eine Startrampe, die hoffentlich funktioniert.
    Ich schreibe diese Zeilen, weil ich keine Möglichkeit sehe, mich an meine Familie zu wenden. Es wäre zu riskant. Außerdem muß ich sie heraushalten. Ich schreibe, wie man in der Not an Gott schreibt und sich ihm offenbart.
     
    Georg Stransky,
    an einem Ort, an dem ich nicht lange genug sein werde,
    daß es sich lohnen würde,
    seinen Namen schreiben und sprechen zu lernen.
    So wird es jetzt wohl öfters sein.
     
    Das war, fand Lilli Steinbeck, für einen Naturwissenschaftler ein ziemlich ungewöhnlicher Standpunkt. Die Mühe zu scheuen, einen Ortsnamen festzuhalten, weil man sich nur kurz an ihm aufhalten würde. Ganz offensichtlich hatte Georg Stransky im Zuge jüngster Erlebnisse seine Verhaltensregeln gründlich revidiert. Hin zum Zweckmäßigen. Denn der Name des Ortes, an dem Stransky einen Nachmittag und Abend verbracht hatte und an dem nun Steinbeck angelangt war, zählte ja wirklich nicht. Sehr wohl aber die Information, wohin Stransky und sein »Leibwächter«

Weitere Kostenlose Bücher