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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Nicht, daß Vartalo seine Waffe gezückt hätte.
    »Ich will Ihnen und Ihren Freunden nichts tun«, erklärte Vartalo. »Warum denn auch? Ich ersuche Sie bloß, uns ein Stück mit Ihrem Boot mitzunehmen.«
    Der Engländer wollte etwas sagen, wahrscheinlich, daß er kein Fährunternehmer und auch kein Bootsverleiher sei, überlegte es sich aber und fragte: »Wohin wollen Sie denn?«
    »Mauritius.«
    »Mauritius?«
    »Wenn Sie auf einer Bezahlung bestehen, gerne. Aber ich denke, Sie gehören eher zu denen, die bezahlen, als bezahlt zu werden.«
    »Soll das heißen, Sie wollen auch noch Geld …«
    »Nein, natürlich nicht. Ich möchte nur, daß Sie mich und meinen Freund nach Port …Wie heißt das, Stransky?«
    »Port Louis.«
    »Richtig, nach Port Louis bringen. Herr Stransky hier besteht auf diesem Ort. Aus persönlichen Gründen.«
    »Wir sind aber Richtung Indischer Ozean unterwegs. Zu den Malediven«, erklärte der Engländer. Ein Hauch von Verzweiflung und Defensive begleitete die Röllchen aus seinem Mund.
    »Mauritius oder Malediven. Das ist doch kaum ein Unterschied.«
    »Bei allem Respekt …«
    »Also gut. Es ist ein Unterschied. Aber der Umweg ist so riesig wirklich nicht.«
    Soeben kamen die beiden Bluthunde aus dem Wasser, betraten den Steg. Beide griffen sie hinter sich, wahrscheinlich der Pistolen wegen, bloß noch auf eine Anordnung ihres Dienstherrn wartend. Vartalo drehte sich halb zu ihnen hin, nur kurz, gleich wieder seinem Gesprächspartner das Gesicht zuwendend und versicherte: »Glauben Sie mir. Ich kann auch besser schießen als die beiden.«
    »Wir glauben Ihnen«, sagte der Engländer und gab seinen Leuten ein Zeichen, die Ruhe zu bewahren. Sodann versuchte er Vartalo klarzumachen, daß für zwei weitere Personen einfach zu wenig Platz an Bord sei. Dies sei eine Sportyacht, kein Seelenverkäufer.
    »Lassen Sie doch die beiden Schwergewichte hier«, schlug Vartalo vor. »Daß diese Männer Sie nicht beschützen können, haben Sie ja gerade gesehen.«
    »Es sind Matrosen, keine Schläger.«
    »Matrosen? Sie belieben zu scherzen. Eher sind das lebende Bleigurte.«
    »Ich kann wirklich nicht …«
    Stransky, der bislang wie ein ins falsche Zimmer geratener Hotelangestellter dagestanden hatte, trat einen kleinen Schritt vor und wandte sich an den Engländer, wobei er gleichzeitig die linke Hand gegen das Bootsheck richtete: »Und wo sind die anderen beiden?«
    Was sollte das jetzt wieder heißen? Fragende Gesichter.
    Der Mann in Weiß hingegen lächelte mit einem Mal und sagte: »Ich sehe, Sie kennen sich aus.«
    »Nicht mit Booten«, erklärte Stransky, »aber mit griechischer Mythologie.«
    (Griechische Mythologie ist wahrscheinlich das zweitschlimmste Thema auf der Welt. Personen jedoch, die sich damit beschäftigen, zumeist leidenschaftlich beschäftigen, bemerken das nicht. Sie werden ganz meschugge von ihrer Beschäftigung, halten sich aber selbstverständlich für die gesündesten Menschen.)
    Für Stransky, den Zoologen, war die griechische Mythologie bloß ein Thema seiner Studentenzeit. Er hatte zur rechten Zeit aufgehört, ständig Bezüge zwischen alten Göttern und neuer Politik herzustellen und kein Honigbrot essen zu können, ohne an die vier unglücklichen Helden zu denken, die in die heilige Bienenhöhle des Zeus eingedrungen und als verzauberte Vögel wieder herausgekommen waren. Dennoch hatte Stransky die diversen göttlichen Räuberpistolen ganz gut in Erinnerung. Sein Gedächtnis funktionierte. Und darum also wußte er, was davon zu halten war, wenn eine Yacht – in goldenen Lettern ans Spiegelheck gezimmert – den Namen Aglaia trug.
    »Die anderen beiden liegen in Melbourne vor Anker«, erklärte der Engländer, für den Australien wahrscheinlich nichts anderes war, als eine ziemlich umfangreiche Anlegestelle.
    »Euphrosyne und Thalia«, sagte Stransky, die Namen von Booten benennend, die er gar nicht kannte.
    Der Engländer strahlte, trat auf Stransky zu und schüttelte ihm die Hand. Dann auch Vartalo. Aber dies nur pro forma.
    Der Name des Engländers war Ogmore. Genauer gesagt war er Waliser, ein Lord, wie sich jetzt herausstellte, was so klang, als erkläre jemand, er sei ein Schloßgespenst. Ein Schloßgespenst mit einer Begeisterung für die griechische Mythologie.
    Daß Stransky wußte, daß Aglaia aus der Beziehung des Zeus zur Meernymphe Eurynome hervorgegangen war und zusammen mit ihren zwei Schwestern die drei Grazien bildete, daß sie als die jüngste und

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