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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Heck des Boots hing eine britische Flagge, die auf die Ferne etwas von einem durchgestrichenen Blaubeerkuchen hatte. Davor, auf dem Steg, standen zwei Männer mit demonstrativen Muskeln unter den dünnen Leibchen. Sie hätten die Hälfte ihrer Muskeln verschenken sollen. Das hätte adretter ausgesehen und wäre weit raffinierter gewesen, als mit überbreiten Oberschenkeln und winzigen Pos dazustehen und die Eingeborenen zu verschrecken.
    Stransky bemerkte: »Man wird uns kaum einladen, an Bord zu kommen.«
    »Ja. Da werden wir wohl selbst aktiv werden müssen.«
    »Wollen Sie die beiden vom Steg schießen?«
    »Das wäre der einfachste Weg. Aber Sie wissen ja, wie das mit den einfachen Wegen ist. Nein, wir werden das diplomatisch angehen. Wir warten einmal, bis die hohe Herrschaft zurück ist.«
    Selbige Herrschaft, zwei Männer und zwei Frauen, nicht mehr ganz jung, aber unübersehbar sportiv und lebenslustig, kamen gegen Abend mit dem Taxi an. Sie hatten Proviant geladen. Im cremigen Rot einer absteigenden Sonne glühten ihre braungebrannten, wie von unsichtbaren kleinen Hosenträgern gestrafften Gesichter. Die beiden Damen befreiten sich von ihren Kopftüchern. Ihr Haar knisterte und schlug ein paar Funken. Beide waren blond wie ein gebleichter Goldbarren, und beide gehörten dem Tippi-Hedren-Typus an, ziemlich schlank und nicht unhübsch, aber auch irgendwie verzogen, knorrig, wie von zuviel Wind, etwa dem Wind, den man beim Segeln abbekommt.
    Leute aus dem Dorf verluden die mitgebrachten Pakete. Die beiden Bodyguards standen an Deck und paßten auf.
    »Es wird Zeit«, sagte Vartalo und erhob sich. Stransky folgte ihm. Die beiden sahen übrigens auch nicht mehr ganz jung aus. Eher wie gealterte Rucksacktouristen. Leute, die seit zwanzig, dreißig Jahren auf Interrail waren.
    Gleich, als sie den kurzen Steg betraten, sprangen die beiden Muskelmänner vom Boot herunter und stellten sich ihnen in den Weg. Die versammelte Herrschaft stand am Ende der Anlege, blickte aufs Meer und gönnte sich einen Drink, als wäre das hier die Küste bei Plymouth und nicht der Jemen.
    »Ich frage mich«, sagte Vartalo, laut genug, daß jeder es hören konnte, »wie man mit Sandsäcken zum Segeln gehen kann.«
    Die beiden Sandsäcke verstanden nicht ganz. Die vier Segelfreunde aber wandten sich um und sahen herüber.
    »Was wollen Sie?« fragte ein Mann, der von unten bis oben weiß war, von den Schuhen bis zum Haar. Unüberhörbar ein Engländer der Upperclass. Dies zu erkennen genügten ein paar Worte, die wie kleine vergiftete Sahneröllchen einen eher dünnen Mund verließen. Das Bühnenenglisch der besseren Briten ist eigentlich ganz nett anzuhören, aber man vermutet dahinter irgendeine Gemeinheit. Keine Niedertracht, eine Gemeinheit.
    Nun, ein Mann wie Vartalo ließ sich weder von winzigen Pos noch von ein paar toxischen Sahneröllchen beeindrucken. Er war eher der außerirdische Typ. In der Art dieser Roboterfrau aus Terminator 3, die da sagt: I like this car, I like your gun – und sich dann also nimmt, was ihr gefällt. Tatsächlich äußerte Vartalo: »Ich mag Ihr Boot.«
    »Hauen Sie ab«, antwortete der Engländer. Es klang, als leere er den Mülleimer mit den Fischabfällen von letztem Donnerstag.
    »Tut mir leid«, meinte Vartalo ungerührt, »aber wir benötigen ein seetüchtiges Gefährt. Und außer Ihrem schönen Schiff sehe ich hier nur verrostetes Material aus sozialistischen Tagen. Ich bin zu wenig Sozialist, als daß ich mit einem dieser Boote untergehen möchte.«
    »Das werden Sie aber leider riskieren müssen«, erwiderte der Engländer und schnalzte mit der Zunge. Seine beiden Bluthunde blähten sich noch ein wenig auf und bewegten sich stracks auf Vartalo und Stransky zu.
    »Wo sind wir hier? In Miami?« fragte Vartalo und schüttelte den Kopf.
    Bei oberflächlicher Betrachtung hätte man meinen können, allein diesem Kopfschütteln sei es zu verdanken, daß gleich darauf zwei Körper rechts und links auf das Wasser klatschten. Es war kaum zu sagen, was Vartalo eigentlich getan hatte. Nichts von Aufwand, kein Geboxe, kein Karate. Eher etwas wie Tai Chi oder gelenkschonende Gymnastik, ein simples Heben der Arme, eine vorsichtige Drehung des Kopfes, mehr ein Ein- und Ausatmen denn eine wirkliche Aktion. Tatsache war, daß die beiden Bluthunde zwischen die Boote ins Wasser fielen, wo sie recht unkoordiniert herumstrampelten. Wie Hunde halt schwimmen.
    »Was …?« hob der Engländer die Arme in die Höhe.

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