Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Folter zu ersparen. Wie sehr man tricksen mußte, anstatt einfach eine ordentliche Vereinbarung zu treffen. Denn auch das hätte ja möglich sein müssen. Einer fragt, der andere antwortet. Danach trennt man sich, ohne daß ein Wort zuviel gefallen wäre. Aber leider spielten die Leute nicht mit. Schade drum.
Der Journalist, der sich in die französische Marslandschaft von Saint Paul hineinschmuggeln hatte lassen, hieß also Alberto Mora. Desprez rief in Paris an, gab den Namen durch und bekam raschest, so rasch das 1985 ging, Rückmeldung. Mora war Brite portugiesischer Abstammung, arbeitete als freier Fotograf für diverse Zeitungen, nicht zuletzt für Greenpeace. Wie auch immer es ihm gelungen war, nach Saint Paul zu gelangen und die Insel wieder zu verlassen, war er wenig später von Sydney nach Hawaii geflogen, wo er nun saß und darauf wartete, an Bord des Greenpeaceschiffes Rainbow Warrior zu gehen, welches via Auckland in die Gewässer des Mururoa-Atolls gesteuert werden sollte, um gegen die dortigen Atombombentests der Franzosen zu protestieren.
Die große Zeit von Greenpeace. Man kann ruhig sagen, daß Desprez diese Leute verdammte. Abenteurertypen, die zu verlogen waren, sich als Abenteurertypen vorzustellen, und sich statt dessen als Retter vor der Welt gerierten. Hätte es nicht die Wale gegeben, Greenpeace hätte auch Tische mit drei Beinen beschützt. Aber Wale waren natürlich besser. Wale konnten auch nicht zurückreden, konnten ihrerseits nicht protestieren. Weder dagegen, abgeschlachtet zu werden, noch dagegen, daß ein paar Leute, denen zu Hause langweilig geworden war, sie für ihre Zwecke benutzten. So sah es Desprez, den natürlich in erster Linie der latente Frankreichhaß der Greenpeaceaktivisten ärgerte.
Desprez hatte sich also an die Fersen Moras geheftet und war nach Hawaii geflogen. Er wäre jederzeit in der Lage gewesen, die Sache zu einem raschen Ende zu bringen, den Briten dingfest zu machen, ihn zu befragen, den Verbleib des Recherchematerials festzustellen, die Namen möglicher Eingeweihter oder eines möglichen Auftraggebers zu eruieren und schlußendlich Mora zu liquidieren. Denn ein Überleben des Fotografen stand in keinem Fall zur Debatte. Mora hatte sich viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Es würde nicht genügen, ihm ein wenig angst zu machen.
Aus Paris war jedoch die Anordnung gekommen, zunächst nichts zu unternehmen. Desprez sollte einfach in Honolulu auf weitere Befehle warten. Aus gutem Grund. Denn das Verrückte an dieser Geschichte bestand darin, daß der französische Auslandsnachrichtendienst DGSE unter Admiral Lacoste eine aus dem sogenannten fond speciaux finanzierte Aktion gegen Greenpeace plante, die »Operation Satanique«. Auch diese Unternehmung war auf Anordnung des Staatspräsidenten erfolgt, der es schlichtweg satt hatte, daß Greenpeaceleute mit ihren schmutzigen, frankophoben Fingern auf die Grande Nation zeigten und so taten, als würde Frankreich seine Atombomben mitten in einer belebten Fußgängerzone zünden. Für Paris waren diese Versuche unumgänglich. Und mitnichten wollte man sich von ein paar egomanischen Weltumseglern die eigene Sicherheitspolitik diktieren lassen. Es sollte den Aktivisten endlich einmal klargemacht werden, daß sie sich nicht in einem Kinderplanschbecken befanden, wo man hineinpissen konnte, ohne dafür bestraft zu werden. Nein, Greenpeace sollte begreifen, daß es Regeln gab.
Und so war es also dazu gekommen, daß durch die Person des Fotografen Alberto Mora zwei Geschichten zueinanderfanden: Frankreichs offizielles Interesse an ungestörten Atombombenversuchen und Frankreichs noch inoffizielles Interesse an einer ungestörten Landung auf dem Mars. Wobei hier wie da die Nutzung der Atomenergie eine tragende Rolle spielte und hier wie da die Nutzung als eine friedliche verstanden wurde.
An diesem Nachmittag, als Henri Desprez voller Verachtung auf die Badenden und sich Sonnenden hinuntersah, erschien ein Agent des DGSE in seinem Hotelzimmer und informierte ihn über die geplante satanische Operation. Man hatte allen Ernstes vor, jenes Flaggschiff von Greenpeace, die Rainbow Warrior , zu versenken, dann nämlich, wenn diese in Auckland vor Anker gehen würde. Agenten des DGSE waren bereits vor Ort und trafen Vorbereitungen. Die ganze Aktion war von einer ministeriellen Arbeitsgruppe konzipiert worden, die den höchst phantasievollen Namen »Gegenschlag« trug.
»Ist das nicht ein bißchen überzogen?« fragte Desprez
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