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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Spielzeugautos dort absetzen zu wollen. Es schien so zu sein, als hätte Mitterrand ganz in der Art eines gegen jegliche Einwände resistenten Monarchen – welcher nicht bittet, sondern verlangt – ein geheimes Raumfahrtprogramm entwickeln lassen, das sich dadurch auszeichnete, einige Schwierigkeiten bewußt und gezielt zu ignorieren. So betrachtet, paßte das ganz gut zum postmodernen Denken. Hürden zu nehmen, indem man sie schlichterweise übersprang. Und nicht an ihnen herumbastelte, bis sie doppelt so hoch waren wie zu Anfang.
    Auf Saint Paul war Desprez durch die unterirdische, in eine natürliche Höhle gebaute Trainingsanlage geführt worden, die unter dem Motto Mars, mon amour stand. Eine Anlage, welche nicht zuletzt dazu dienen sollte, Filme und Fotos für den Fall zu fabrizieren, daß die, welche am originalen Schauplatz entstehen würden, weniger gut waren, als sie sein sollten. Oder etwas mißlang, was man lieber nicht zeigen wollte. Wie gesagt, nur für den Fall.
    Freilich war Desprez nicht nach Saint Paul gekommen, um sich für das Projekt als solches zu interessieren. Der Mars hatte ihm gleichgültig zu sein. Sein Job war es, jenen Mann zu verhören, den man im Verdacht hatte, einem Journalisten Zutritt zu der Anlage verschafft zu haben. Einem Journalisten, von dem man unglücklicherweise so gut wie nichts wußte, bloß ein paar unscharfe Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras besaß.
    Es versteht sich, daß die wissenschaftlichen Mitarbeiter von Mars, mon amour nicht in der Lage waren, ein ordentliches Verhör zu führen. Und schon gar nicht irgendwelche Berserker, die auf Réunion saßen und ihre Messer schliffen.Weshalb Desprez, welcher den kleinen Raum, in dem der verhaftete Ingenieur saß, mit einem höflichen Lächeln betrat, sich setzte und sagte: »Ganz schnell, damit wir keine Zeit verlieren. Sie nicht und ich nicht, weil ich zu arbeiten und Sie zu leben haben. Ich komme aus Paris, und ich bin kein Sadist. Andererseits gelte ich als jemand, der aus den Leuten die Wahrheit herausbringt. Was bedeutet, daß Sie mir jetzt einen Namen nennen werden. Den Namen der Person, die hier war, um ein paar Bilder vom Mars zu schießen.«
    »Und was tun Sie, wenn ich schweige«, fragte der Delinquent, der die Sache wohl nicht wirklich ernst nahm, »mir die Zehennägel ausreißen?«
    »Ja, Sie haben recht« seufzte Desprez, »das wird von mir erwartet. Das erwarten alle, komischerweise. Dabei wird mir allein bei der Vorstellung übel. Nein, mein Bester, Ihre Zehen fasse ich nicht an. Aber es wäre natürlich uns beiden gedient, wenn Sie ein bißchen schreien könnten. Damit die da draußen was hören und das Bild wieder stimmt.«
    Der Mann lachte. »Da hat Paris aber einen richtigen Witzbold geschickt.«
    »Das kränkt mich ein bißchen, daß Sie das so sehen«, sagte Desprez, holte eine Pistole hervor und richtete sie auf sein Gegenüber.
    »Um Himmels willen, was tun Sie da?«
    »Nun, ich erschieße Sie. Was soll ich denn machen? Wie ich schon sagte, mir ekelt davor, Ihre Zehen auch nur anzufassen. Oder noch Schlimmeres zu tun. Das ist so bei mir. Manche Leute, die ich befrage, haben dafür Verständnis und sagen mir, was ich wissen möchte. Die anderen erschieße ich. Was sonst? Sie würden mich verraten. Sie würden mich lächerlich machen vor der Welt. Ich würde meinen Job verlieren. Meinen guten Ruf. Ich gelte als beinhart. Sie sehen, ich kann nicht anders.«
    »Wenn ich … wenn ich tot bin, haben Sie gar nichts.«
    »Na, meinen guten Ruf habe ich dann noch immer«, sagte Desprez und bog den Finger ab, der im Abzugbügel steckte, wie eins dieser Blümchen in den Revers graumelierter Bonvivants.
    »Nein!« schrie der Mann.
    »Was nein?«
    »Der Kerl … also der Journalist, der hier war … er heißt Alberto Mora. Er hat mir …«
    »Den Rest will ich gar nicht wissen«, sagte Desprez. Dann verzog er seinen Mund zu einer winzigen Phrase, wie wenn jemand murmelnd die schlechten Zeiten beklagt, und erklärte: »So, jetzt müßte ich Sie eigentlich erst recht erschießen. Jeder kluge Agent an meiner Stelle würde das tun.«
    »Aber wieso denn …?«
    »Werden Sie nicht frech.«
    »Ich wollte doch nur …« Der Mann verstummte. Er senkte den Kopf. Er war jetzt ganz und gar gelebte Demut.
    Desprez mußte sich wirklich zusammenreißen, nicht abzudrücken. Nicht nur, weil es vernünftiger gewesen wäre, sondern auch, weil er einen tiefen Zorn verspürte. Wieviel Mühe es kostete, den Leuten eine

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