Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
seinen Gesprächspartner, einen Mann, der sich Van der Kemp nannte.
»Wieso überzogen?«
»Hören Sie«, sagte Desprez, »ich kann diese grünen Affen auch nicht leiden. Aber ein Schiff zu versenken … nun, das hat etwas Terroristisches. Und so gesehen wiederum etwas Verzweifeltes. Ich halte es nicht für gut, wenn Frankreich schlußendlich als ein Land von Verzweifelten dasteht.«
Van der Kemp aber meinte, nicht vorzuhaben, die französische Flagge neben dem versenkten Schiff zu hissen.
»Das wird auch nicht nötig sein«, meinte Desprez, »jeder wird wissen, daß wir es waren. Wir werden als unsportlich dastehen. Zu Recht, meine ich. Bomben schmeißen ist vulgär.«
»Niemand wird schmeißen. Wir montieren eine Sprengladung an der Außenhaut des Schiffes.«
»Zeitzündung also. Noch schlimmer, weil hinterhältig«, meinte Desprez.
»Es ist nicht an Ihnen, das zu beurteilen.«
»Nein, das ist es tatsächlich nicht. Andererseits ist es merkwürdig, daß immer, wenn Ihr Burschen vom DGSE Mist baut, mein Telefon klingelt.«
»Niemand hat Mist gebaut, zumindest niemand von uns«, wehrte sich Van der Kemp. »Wir hatten von dieser Mars-mon-amour-Geschichte so wenig Ahnung wie Sie.«
Das glaubte Desprez nicht. Aber was sollte er tun? Er sagte: »Lassen wir das. Wenn der DGSE unbedingt meint, sich an einem unschuldigen Schiff vergreifen und damit alle Gutmenschen auf der Welt gegen sich aufbringen zu müssen, kann ich auch nichts machen. Was wollen Sie also von mir?«
»Daß Sie sich zurückhalten, bis wir unsere Aktion erfolgreich abgeschlossen haben. Lassen Sie diesen Alberto Mora an Bord der Rainbow Warrior gehen. Es wäre ganz schlecht, wenn Sie ihn sich jetzt schon schnappen. Greenpeace wäre gewarnt.«
Desprez wußte, daß er keine Wahl hatte. Er mußte sich gleichsam hinten anstellen, hinter Van der Kemp, auch wenn dadurch Alberto Mora weiter Zeit bekam, die er nicht verdiente. Noch schien Mora sein Wissen um die französischen Marspläne weder weitergegeben noch veräußert zu haben. Er wußte natürlich, daß er vorsichtig sein mußte. Aber was hatte er eigentlich vor? Geld verdienen? Berühmt werden?
Desprez wäre gerne nach drüben gegangen – ja, er wohnte der Einfachheit halber im Zimmer neben Mora –, um so schnell als möglich reinen Tisch zu machen, solange das noch möglich war, ein reiner Tisch.
Aber genau das würden die Leute vom DGSE verhindern, die Chance reiner Tische. Dieses Agentengesindel bestand aus sehr viel mehr Chaoten als die so apostrophierte Stadtguerilla. Das Fettnäpfchen, in das sie nicht traten, mußte erst erfunden werden. Man brauchte nur bedenken, wie oft sie die falschen Personen verhörten, die falschen Telefone anzapften, wie sehr sie sich verleitet fühlten, anstatt Beweise zu finden, sie zu konstruieren, und wie selten sie zur Stelle waren, wenn man sie brauchte. Sie waren genau so, wie der kleine Mann sich das vorstellte, Typen, die Gucklöcher in ihre Zeitungen schnitten und Pfeilgift in ihren Füllfedern transportierten. Typen, die Haftminen an Booten anbrachten. Lachhaft.
Aber so sah die Realität nun mal aus. Und Desprez mußte damit leben, mit der parodistischen Ader seines Gewerbes. Weshalb er nun in medias res ging und sich nach dem Zeitplan erkundigte.
»Sehen Sie zu«, empfahl Van der Kemp, »daß Sie ein paar Tage vor dem 10. Juli in Auckland eintreffen. Dann warten Sie ab, bis wir das Schiff von diesen Spinnern auf Grund geschickt haben. Danach haben Sie freie Hand. Aber keine Sekunde früher.«
»Schon gut. Ich halte mich an Pläne. Könnte man das bloß von allen behaupten.«
Van der Kemp konterte mit einem schwächlichen Gemurmel, erhob sich und verließ den Raum. Draußen am Gang nahm er ein Taschentuch und wischte sich über die Stirn. In diesem Moment wurde die Türe des benachbarten Zimmers geöffnet und ein Mann kam heraus, der grüßend an Van der Kemp vorbeiging. Alberto Mora.
Van der Kemp rief ihm nach: »Passen Sie auf sich auf.«
Mora hatte es nicht gehört. Oder er verstand kein Französisch. Oder glaubte, jemand anders sei gemeint. Was auch immer. Van der Kemp grinste. Manchmal überkam ihn ein merkwürdiges Bedürfnis, Schabernack zu treiben. Er dachte dann: »Wahrscheinlich werde ich langsam verrückt.«
Desprez hätte geantwortet: »Was heißt hier langsam ?«
16
1985 war ein schlechtes Jahr
10. Juli 1985, Auckland, Neuseeland.
Wieder stand Desprez auf dem Balkon eines Hotelzimmers. Er hatte einen guten Blick auf den
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