Lilly Höschen (01): Walpurgismord
er sagt, dass er Angst schüren will, Angst, mit der er eine Bestrafung anzukündigen versucht. Und das ist ihm leider auch gelungen.«
»Wenn doch Marie bloß eine halbwegs gescheite Personenbeschreibung abgegeben hätte«, sagte Gisela Berger jetzt. »Aber außer Gesichtsmaske, Parka, mittlere Größe des Täters, der vermutlich schlank war, hat sie nichts mitbekommen. Das könnte im Prinzip jeder sein, vom Pennäler bis zum älteren Herrn.«
»Damit müssen wir leben«, antwortete Schneider. „Also, ich rufe jetzt in Bayern an und sehe zu, dass wir morgen da runterfahren können.«
Clausthal-Zellerfeld, 24. August 2010
Maximilian Schmecke saß seinem alten Bekannten Amadeus Besserdich in dessen Büro gegenüber.
»Also, Max, ich habe keine Ahnung, warum der Schneider ein Alibi von dir für die Tatzeit von Maries Entführung will. Ich kann mir nur vorstellen, dass du noch nicht ganz aus dem Schneider bist, was den Tod von Frau Gutbrodt anbetrifft. Solange man für ihren Tod noch keinen Mörder hat, sind wahrscheinlich alle möglichen Leute verdächtig.«
»Aber ich hatte ein Alibi für die Tatzeit.«
»Ja, deine Mutter. Aber welche Mutter würde ihrem Kind kein Alibi geben? Ich bin kein Kriminalist und auch kein großer Strafverteidiger. Außer mit Diebstahl und Kleinkriminalität kenne ich mich nicht aus. Aber ich denke, wenn es um Mord geht und die Polizei keine wirklich heiße Spur hat, wird man so lange in dem Topf der Verdächtigen herumrühren, bis man den Richtigen gefunden hat.«
»Soll ich jetzt jedesmal bei der Kripo antanzen, wenn irgendwo in der Gegend einer abgemurkst oder entführt wird?«
»Das wäre wohl etwas übertrieben. Abgesehen davon passieren in dieser Gegend so wenig Morde, dass es kein besonderes Problem darstellen würde.«
»Aber, was meinst du, wie peinlich es war, dass die Kripo meine sämtlichen Klamotten untersucht hat. Sie wollten wohl Spuren meiner Garderobe auf den Sachen von Frau Gutbrodt und auch auf denen von Marie finden. Nur, wenn ich wirklich jemanden umbringe oder entführe, dann wäre ich bestimmt schlau genug, die entsprechenden Klamotten anschließend zu entsorgen.«
»Ja, soviel Intelligenz traue ich dir zu.«
»Außerdem, wie kommt die Polizei dazu, meine Konten unter die Lupe zu nehmen?«
»Das ist absolut üblich. Geld ist schließlich immer ein wichtiges Motiv.«
Es entstand eine Pause, bis Maximilian ein anderes Thema anschnitt:
»Wie geht es Marie eigentlich? Hat sie es einigermaßen weggesteckt?«
»Es geht ihr wieder erstaunlich gut. Sie ist heute mit Tante Lilly verreist, um erst mal etwas Abstand zu gewinnen.«
»Oh, wohin denn?«
»Das darf ich dir nicht sagen. Die Polizei hat mich dringend gebeten, keiner Menschenseele etwas davon zu erzählen.«
»Ah, verstehe. Ich könnte ja hinterherreisen und sie nochmal entführen.«
»Genau.«
»Gut. Dann zu meinem Hauptanliegen. Kannst du mir den Vertrag, um den ich dich gebeten habe, bis morgen aufsetzen?«
»Ehrlich gesagt, im Moment bin ich reichlich überfordert. Zum einen der ganze private Kram mit Mord und Entführung. Und dann habe ich auch noch einen neuen Mandanten, der mich total in Anspruch nimmt. Ich muss bis morgen noch einen ganzen Haufen erledigen. Wahrscheinlich werde ich die halbe Nacht zugange sein.«
»Mein Gott, was ist das denn für ein Mandant? Die Mafia?«
»Wenn es so wäre, würde ich es dir nicht sagen. Aber zu deiner Beruhigung: es ist nicht die Mafia, sondern ein ganz honoriges Unternehmen in Goslar. Also, deinen Vertrag könnte ich frühestens bis Montag fertig haben.«
Maximilian Schmecke gab sich zufrieden und verabschiedete sich von Amadeus. Irgendwie ist er ein komischer Kerl, dachte Amadeus, als er allein war. Er kannte Max seit vielen Jahren, war mit ihm mal zwei Jahre in derselben Klasse, bis Max sitzenblieb. Er war ein über alle Maßen verwöhntes Einzelkind, das seine Mutter zur Weißglut gebracht hatte. Und einiges von seinem kindlichen Gemüt hatte er sich auch noch bis heute erhalten. Er nahm das Leben leicht, stieg mit jeder Frau ins Bett, die er kriegen konnte, stieß sie wieder ab, wenn er keine Lust mehr hatte. Vor ein paar Jahren hatte er es auch bei Marie versucht, bevor sie mit Amadeus zusammen war. Aber sie hatte ihn sofort durchschaut und eiskalt abblitzen lassen. Beruflich hatte er nicht viel auf die Beine gekriegt. Es lebte sich offenbar bequemer von Mutters Geld.
Maximilian war groß und blond und achtete auf sein Äußeres. Er machte
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