Lillys Weg
freute sich ganz offensichtlich darüber, ihre Stimme zu hören: âWas für eine schöne Ãberraschung, Lilly.â Er hatte sich mühsam abgewöhnt, seine Frau âmein Liebâ oder âmeine Elfeâ zu nennen, aber der Ton war der gleiche geblieben.
Sie informierte ihn, dass sie am zweiten Tag des neuen Jahres mit den Kindern nach Wien zurückkehren würde, und lud ihn für den 3. Januar zum Frühstück ins Café Landtmann ein. Sie wollte dort, wo alles begonnen hatte, auch das Ende setzen.
Es war ein klarer Morgen. Die dichte Nebeldecke, die Wien wochenlang von der Sonne abgeschnitten hatte, war vom Wind weggeblasen worden. Auf der RingstraÃe fuhren dick eingepackte Touristen im Fiaker durch den schmutzigen Schnee und zückten ihre Fotoapparate. Lilly bezeichnete sich selbst als Stadtläuferin. Sie hatte nicht die Disziplin, täglich zu joggen, aber dafür ging sie in schnellem Schritt bei jedem Wetter alles zu FuÃ, was in Reichweite einer halben Stunde lag. Sie war aufgeregt und seltsamerweise guter Laune.
Das Landtmann war wie immer voll, und Lilly wartete einen Augenblick, bis die Dame an der Garderobe ihr den Mantel abnahm. Sie ging achtlos am Tortenbuffet vorbei, durchquerte den ersten, kleineren Raum und sah sich dann im groÃen Saal um. Ihre Augen suchten Oskar. Er war noch nicht da. Sie war enttäuscht. âWenigstens zu unserer Trennung könnte er pünktlich kommenâ, murmelte sie und nahm in der bequem gepolsterten Loge am Fenster Platz, die sie gestern reserviert hatte. Es kam ihr nicht in den Sinn, dass ihr Mann gar nicht wusste, dass sie sich trennen wollte.
Er kam zehn Minuten später mit einem groÃen Strauà Rosen in der Hand. Sie waren weiÃ, und Lilly spürte einen kleinen Stich, dass sie nicht rot waren. âIch musste in zwei Blumengeschäften suchen, bis ich gefunden hatte, was ich wollte.â Er küsste sie auf die Wange und ergänzte: âDer ist dafür, dass du so eine wunderbare Mutter bist. Ich danke dir, dass du die Kinder nicht als Waffe gegen mich benützt.â
Lilly wartete, bis Oskars Cappuccino kam, und sagte dann, obwohl sie geplant hatte, erst nach dem Frühstück darüber zu reden, mit klarer, sicherer Stimme: âOskar, ich lasse mich von dir scheiden.â
Sein Lächeln verschwand sofort, und der Schock machte aus seinem Gesicht eine weiÃe, undurchdringliche Wand.
âBitte, Lilly!â
Er sagte es so flehentlich, dass Lillys Panzer Sprünge bekam.
âOskar, es ist Zeit für mich, wieder zu leben. Ich will nicht mehr vor deiner Tür sitzen und darauf hoffen, dass der Mann, den ich liebe, zu mir zurückkommt.â
âIch bin zurück, bitte, gib mir eine Chance! Du bist meine groÃe Liebe, die Mutter meiner Kinder, meine Elfe.â
âUnd was ist mit Sybille?â
âIch verlasse sie. Sofort.â
Lilly glaubte ihm nicht. Ihr Herz hatte sich warm angezogen und war nicht bereit, beim ersten Frühlingslüftchen den Schutz aufzugeben.
âUnd warum soll ich dir das glauben?â
âWeil ich mich verrannt habe, weil ich ein Narr war, weil ich erst jetzt verstehe, dass ich nicht ohne dich leben kann â¦â
Lilly wollte Sicherheit. Sie verlangte von Oskar ein Gespräch zu dritt. Sie wollte hören, wie er Sybille sagte, dass es zu Ende ist.
Das Duell, wie Ralf es nannte, der erstaunlicherweise FuÃball liebte, fand in der Servitengasse âals Heimspielâ statt. Lilly hatte ihre Wohnung bewusst als Ort gewählt. Sie wollte, dass beide für immer gingen oder Oskar für immer blieb.
Er kam ein paar Minuten früher und sie saÃen schweigend und angespannt im Wohnzimmer und warteten auf Sybille. âSie wird nicht kommen, sie wird sich auch aus dieser Verantwortung schleichenâ, sagte Lilly bitter.
Wenige Minuten später hörte sie Stimmen vor der Wohnungstür und öffnete, noch ehe die Glocke ging. Sybille stand mit ihrem Therapeuten vor der Tür. Lilly kannte ihn, sie hatte einmal eine Stunde bei ihm genommen, als Oskar ihr entglitten war. Er hatte ihr damals empfohlen, jemand anderen zu konsultieren: âIch bin befangen, es ist besser, nicht zwei Menschen aus einer Wahlfamilie zu begleiten.â Damals hatte sie seine Worte nicht hinterfragt. Jetzt flammte kurz Ãrger hoch. Auch er war einer von denen, die von der Beziehung der beiden gewusst hatten.
âIch schaffe
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