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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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misstrauisch blieb, als ob seine Liebesbeteuerungen an ihr abprallten wie Münzen, die geprüft und für nicht echt befunden wurden.
    Oskar war täglich in der Servitengasse und übernachtete auch meistens bei seiner Frau und den beiden Kindern, aber Lilly wollte nicht, dass er mit Sack und Pack wieder einzog. „Mein Herz braucht Zeit, um seine Winterkleider wieder auszuziehen“, sagte sie und küsste ihn gleichzeitig zärtlich. „Wir haben ein ganzes Leben vor uns, mein Lieb, meine Elfe“, antwortete er und legte seine Hände auf ihren Hintern. Es war eine vertraute Geste, ein Code für seinen Wunsch, mit ihr zu schlafen, aber die vertraute Berührung hatte ihre Unschuld verloren. Sie war sich sicher, dass es eine der Intimitäten war, die er mit Sybille geteilt hatte.
    Die Gespräche über Sybille, die Lilly einforderte, waren wenig ergiebig. Sie verstand nicht, warum man jemanden so lieben kann, dass man seine Familie dafür verlässt und bei der ersten Androhung von Konsequenzen fallen lässt wie eine heiße Kartoffel. „Ich habe dich nie verlassen, meine Elfe. Du warst immer der wichtigste Mensch für mich, auch wenn es unlogisch klingt. Und als ich mit voller Wucht spürte, dass du wirklich gehst, dass ich dich für immer verliere, war es keine Frage mehr, wo ich hingehöre. Und außerdem war meine Leidenschaft für Sybille schon vorbei. Ich habe es mir nur noch nicht eingestanden.“
    Lilly erinnerte sich daran, dass Ralf ihr von einer anderen Frau erzählt hatte, die es schon länger neben Sybille gegeben hatte, und glaubte ihm. Sie fragte sich, warum sie sich nicht schon viel früher für sich selbst eingesetzt hatte. Aber immerhin hatte sie nicht so lange gewartet wie ihre Mutter, deren Beziehung zu Lillys Vater bis zu dessen Tod ungeklärt geblieben war.
    Wenn Lilly später an diese kurze Zeit dachte, an die wenigen Wochen, die ihr mit Oskar noch geblieben waren, spürte sie jedes Mal Bedauern. Warum war sie nachtragend gewesen und hatte ihre innersten Räume vor ihm verschlossen? Warum hatte sie sich geweigert, dieses neu gewonnene Glück zu genießen? Der Begriff „verlorene Zeit“ füllte sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit schmerzlicher Bedeutung.
    Es war in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar 1988. Ein Datum, das sich in Lilly für den Rest ihres Lebens einbrennen sollte. Sie konnte nicht schlafen. Oskar war von einer Besprechung mit Paolo noch immer nicht zurück. Er war blass und nervös weggegangen und hatte nur gesagt: „Es ist dringend, ich weiß nicht, was er will.“
    Als sie um ein Uhr morgens die Tür hörte, zog sie sich ihren Bademantel an und ging ihm ins Vorzimmer entgegen. Oskar war grau im Gesicht, bückte sich schnell und wandte sich ab, als er seine Schuhe auszog. Sie berührte ihn an den Schulterblättern und merkte, dass er zitterte. Als er aufstand, breitete sie instinktiv die Arme aus. Er legte den Kopf an ihre Brust und begann stumm zu weinen. Lilly spürte, wie die Kälte in ihr hochstieg. Oskar hatte erst einmal geweint. Vor Freude, bei ihrer Hochzeit. Er hob den Kopf und sagte tonlos: „In ein paar Stunden wird Paolo Österreich verlassen haben. Kristina bringt ihn gerade zum Flughafen nach München. Er hat über seine geheimen Kanäle erfahren, dass in den nächsten Tagen ein Haftbefehl gegen uns erlassen wird. Ich muss auch weg. Ich gehe nach Italien. Ich will in eurer Nähe bleiben.“
    Sie lagen im Bett in wortlosem Entsetzen. Noch einmal die Wärme des anderen spüren, noch einmal eins sein. Dann löste sich die Erstarrung und Lilly öffnete den geheimen Raum in ­ihrem tiefsten Inneren und war bereit, alles zu geben und alles mit Oskar zu teilen.
    Um drei Uhr morgens ging sie zu einer Telefonzelle und rief Ralf an. Oskar hatte sie darum gebeten: „Ich weiß nicht, ob du nicht schon abgehört wirst.“ Es klingelte nur ganz kurz, er war sofort am Apparat und wusste, dass das, was er schon lange befürchtet hatte, Realität geworden war. „Bitte, Ralf, leih mir Fridolin.“ Lilly war klar, was sie von ihm verlangte. Fridolin war sein Augenstern, ein luxuriös ausgestatteter VW-Campingbus, der für ihn, wenn er sich schon der Unannehmlichkeit einer Reise aussetzen musste, seine Heimat war. Es war die einzige Urlaubsform, die er akzeptieren konnte. Jeden Sommer, seit vielen Jahren, fuhr er

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