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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Bei all der Aufregung habe ich
vergessen, ihn dir zu geben.«
    Ihre Antwort schien Caleb zu
beruhigen. »Wo ist er?«
    Lily holte den Brief rasch aus dem
Haus.
    Stirnrunzelnd betrachtete Caleb die
Handschrift auf dem Umschlag. Als er ihn öffnete, wandte Lily sich ab und ging
ins Haus, weil sie ahnte, daß ihr durch diesen Brief eine Menge Veränderungen
bevorstanden. »Möchtest du etwas essen?« fragte sie, als Caleb kurz darauf
hereinkam.
    »Nein, danke«, antwortete er
geistesabwesend.
    Als Lily das Schweigen nicht mehr
ertragen konnte, drehte sie sich zu ihm um. »Woher kam der Brief?«
    »Von meinem Bruder Joss.« Der Umschlag
lag auf dem Tisch, und Caleb starrte aus dem Fenster, als könnte er dort etwas
sehen, das sich Lilys Blicken entzog.
    Sie wollte ihm eine Frage stellen,
doch dann verzichtete sie darauf. Warum war ihr nicht schon früher aufgefallen,
wie sehr Caleb sich danach sehnte, nach Pennsylvania zurückzukehren und sich
mit seinem Bruder auszusprechen? Es schien ihn ebensosehr zu quälen wie Lily
das Bedürfnis, ihre Schwestern wiederzufinden.
    »Er will, daß du nach Fox Chapel
kommst«, sagte sie tonlos.
    »Nein.« Caleb mied ihren Blick. »Er
will meinen Anteil an der Farm kaufen, um zu vergessen, daß er einen Bruder
hat.«
    Obwohl Calebs Gesicht verschlossen
war und nichts von seinen Gefühlen verriet, spürte Lily, wie verletzt er war.
Sanft legte sie eine Hand auf seine Schulter. »Kann er das denn?«
    Endlich schaute Caleb Lily an.
Quälende Erinnerungen verdüsterten seinen Blick. »Es wäre möglich, Joss ist
ein mächtiger, einflußreicher Mann in Pennsylvania.«
    Lily streichelte ihrem Mann die
Wange. Sie hätte ihn so gern getröstet, doch sie wußte nicht, wie sie es
anstellen sollte. »Was wirst du unternehmen?«
    »Ich weiß es nicht.« Er stand auf,
und Lily ließ hilflos ihre Hand sinken. Ein gewaltiger Abgrund schien sich
zwischen ihnen aufzutun, als er die Küche durchquerte und zur Tür ging.
    »Ich backe Plätzchen zum
Abendessen«, sagte sie rasch, weil sie nicht wußte, was sie sonst noch für ihn
tun konnte.
    »Gut«, erwiderte Caleb, bevor er das
Haus verließ.
    Kurz darauf hörte sie das
beharrliche Klappern eines Hammers und wußte, daß Caleb an seinem Gerüst
arbeitete. Sie mischte den Teig für die Plätzchen, stellte ihn dann jedoch beiseite,
weil es für das Abendessen noch zu früh war. Da sie glaubte, Caleb habe nun
genügend Zeit zum Nachdenken gehabt, ging sie zu ihm hinaus.
    Er hockte mit nacktem Oberkörper auf
dem Dach und nagelte Schindeln fest. Seine muskulöse Brust glänzte feucht in
der späten Nachmittagssonne.
    »Ich gehe Velvet besuchen«, rief
Lily ihm zu und hoffte, daß er sie zum Bleiben auffordern, zu ihr herunterkommen
und sie in die Arme nehmen würde. Aber er drehte sich nicht einmal nach ihr um.
»Gut«, sagte er nur.
    Nachdem Lily noch einmal nach ihren
Küken gesehen hatte, machte sie sich niedergeschlagen auf den Weg.
    Velvet versuchte gerade eine
gescheckte Kuh einzufangen, als Lily um die Ecke des neuen Hauses bog, das Hank
und Velvet errichtet hatten.
    »Komm her, du Biest!« rief Velvet
wütend. Sie hatte ihre Freundin noch nicht bemerkt.
    Lily lachte. Ihre eigenen Sorgen
waren für den Moment vergessen, als sie zu Velvet hinüberlief und ihr half,
die Kuh einzufangen. Da es bei den Sommers ihre Aufgabe gewesen war, die
Milchkuh jeden Abend in den Stall zu bringen, hatte sie einige Erfahrung auf
diesem Gebiet. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen schließlich, das
störrische Rindvieh in eine Ecke zu treiben, und Velvet warf ihm aufatmend das
Lasso um den Hals.
    »Du starrsinniges Biest!« schimpfte
sie die Kuh und versetzte ihr einen harten Schlag auf die Nase.
    »Wo hast du sie her?« erkundigte
Lily sich entzückt.
    »Hank hat sie einem Indianer
abgekauft«, antwortete Velvet, während sie sich den Schweiß von der Stirn
abwischte. »Aber ich würde sagen, der Indianer hat das bessere Geschäft
gemacht.«
    Lily klopfte der Kuh den Hals und
versuchte sie zu beruhigen. »Du wirst anders darüber denken, wenn du Milch,
Sahne und Butter hast.«
    »Wenn ich das Vieh jedesmal jagen
muß, wenn ich etwas von ihm will, kaufe ich die Milch lieber in der Stadt«,
entgegnete Velvet mürrisch.
    »Ich habe Küken«, berichtete Lily
stolz. »In einigen Monaten, wenn sie groß genug sind, werden wir genug Eier für
uns alle haben.«
    Velvet schien sich etwas beruhigt zu
haben. »Entschuldige mein Benehmen, Lily«, sagte sie kopfschüttelnd.

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