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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ausgenommen wie der Vater aller Gourmets.
    »Was habt ihr hier eigentlich gefeiert?«, fragte er mit Blick auf das Chaos in Tus Büro.
    »Wir haben was ausprobiert.« Tu griff nach einer Wasserflasche, spülte die Nudeln in seinem Mund ordentlich durch und rülpste vernehmlich. »Holo-Cops. Auftrag der Behörde für Verkehrserziehung. Im Dunkeln funktionieren sie ganz ausgezeichnet, bloß Sonnenlicht bereitet ihnen noch Probleme. Es zersetzt sie.« Er lachte glucksend. »Wie Vampire.«
    »Was will die Stadt mit holografischen Polizisten?«
    Tu sah ihn erstaunt an.
    »Den Verkehr regeln, was denn sonst? Letzte Woche ist wieder einer von den Echten überfahren worden, hast du nicht gelesen? Er stand mitten auf der Kreuzung Siping Lu, Dalian Xilu, als ein Möbeltransporter in ihn reinbretterte und ihn gleichmäßig über das Pflaster verteilte. Riesensauerei, schreiende Kinder, böse Briefe! Niemand regelt noch freiwillig den Verkehr.«
    »Seit wann kümmert man sich bei der Polizei darum, was einer freiwillig will?«
    »Gar nicht, Owen, das ist eine Frage der Ökonomie. Sie verlieren zu viele Beamte. Verkehrspolizist rangiert in der Liste der gefährlichsten Berufe mittlerweile ganz oben, die meisten würden es vorziehen, mit der Verfolgung und Ergreifung geistesgestörter Massenmörder betraut zu werden. Na ja, und man ist ja auch Mensch, ich meine, keiner will wirklich tote Polizisten. Und Holo-Cops haben kein Problem damit, wenn du sie über den Haufen fährst, sie machen dabei sogar noch Meldung. Die Projektion schickt ein Signal in den Computer, samt Automarke und Kennzeichen.«
    »Interessant«, sagte Jericho. »Und wie steht's mit holografischen Fremdenführerinnen?«
    »Ah!« Tu wischte die Mundwinkel an einer Serviette sauber, die augenscheinlich schon bei anderen Mahlzeiten hatte assistieren müssen. »Du hattest Besuch.«
    »Ja, ich hatte Besuch.«
    »Und?«
    »Dein Freund ist zum Fürchten traurig. Was ist ihm passiert?«
    »Sagte ich doch. Er hat Bitternis gegessen.«
    »Und alles andere geht mich nichts an, schon klar. Also reden wir über seine Tochter.«
    »Yoyo!« Tu strich sich den Bauch. »Mal ehrlich, ist sie nicht sensationell?«
    »Das ist sie ohne Zweifel.«
    Jericho war gespannt, ob Tu auf einer öffentlichen Leitung über das Mädchen sprechen würde. Zwar wurden alle Telefongespräche von den Behörden mitgeschnitten, doch praktisch kam der Überwachungsapparat mit der Auswertung kaum nach, auch wenn ausgeklügelte Programme die Mitschnitte vorselektierten. Schon Ende des vorangegangenen Jahrhunderts hatten amerikanische Geheimdienste im Rahmen ihres weltumspannenden Echelon-Programms eine Software eingesetzt, die Schlüsselwörter erkannte – mit dem Resultat, dass man bereits verhaftet werden konnte, wenn bei der Planung von Omas Geburtstag dreimal hintereinander das Wort Eisbombe fiel. Moderne Programme hingegen waren innerhalb gewisser Grenzen durchaus in der Lage, den Sinn einer Unterhaltung zu verstehen und Prioritätenlisten zu erstellen. Allerdings erwiesen sie sich immer noch als unfähig, Ironie zu erkennen. Humor und Doppelsinn blieben ihnen fremd, was die Spitzel zwang, wie in alten Zeiten selber zuzuhören, sobald Worte wie Dissident oder Tian'anmen-Massaker fielen. Erwartungsgemäß sagte Tu lediglich:
    »Und jetzt willst du ein Date mit der Kleinen, was?« Jericho grinste freudlos. Er hatte es geahnt. Es würde Schwierigkeiten geben.
    »Wenn es sich einrichten lässt.«
    »Na ja, das Mädchen hat so seine Ansprüche«, meinte Tu listig. »Vielleicht sollte ich dir ein paar nützliche Ratschläge zuteilwerden lassen, kleiner Owen. Bist du während der nächsten Stunden in meiner Gegend?«
    »Ich habe am Bund zu tun. Um die Mittagszeit dürfte ich frei sein.«
    »Ausgezeichnet! Nimm die Fähre. Das Wetter ist schön, treffen wir uns in Lujiazui Green.«
     

PUDONG
     
    Lujiazui Green war ein hübscher, von Hochhäusern umstandener Park unweit des Jin Mao Towers und des WFC. Tu saß auf einer Bank am Ufer des kleinen Sees und sonnte sich. Wie üblich trug er die Sonnenbrille über seiner normalen Brille. Das zerknitterte Hemd hatte sich weitgehend aus dem Hosenbund herausgearbeitet und spannte zwischen den Knöpfen, wodurch hier und da weißlicher Bauch hervorlugte. Jericho setzte sich neben ihn und streckte die Beine aus.
    »Yoyo ist eine Dissidentin«, sagte er.
    Tu wandte ihm träge den Kopf zu. Hinter dem windschiefen Konstrukt aus Brille und Sonnenbrille waren seine Augen

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