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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Heimweh?«
    Rogaschow zögerte. »Ich tue mich schwer mit solchen Begriffen.«
    »Glauben Sie es oder nicht, Oleg, aber wenn Sie diesen Trip hinter sich haben, werden Sie ein anderer Mensch sein. Sie werden erkannt haben, dass unser Planet eine zerbrechliche kleine Weihnachtskugel ist, überzogen von einer hauchdünnen Schicht atembarer, noch atembarer Luft. Ohne Grenzen und Nationalstaaten, nur Land, Meer und ein paar Milliarden Menschen, die sich die Kugel teilen müssen, weil sie keine andere haben. Jede Entscheidung, die nicht darauf abzielt, diesen Planeten instand zu halten, jede Aggression um einer Ressource oder einer Gottesvorstellung willen wird Sie ankotzen. Vielleicht werden Sie auf dem Gipfel irgendeines Kraters stehen und heulen, möglicherweise nur ein paar Sinnfragen stellen, doch es wird Sie verändern. Es gibt keinen Weg zurück, wenn man die Erde einmal aus dem Weltraum gesehen hat, aus der Entfernung des Mondes. Sie können nicht anders, als sich in sie zu verlieben. – Glauben Sie im Ernst, ich lasse zu, dass jemand meine Technologien missbraucht?«
    Rogaschow schwieg eine Weile.
    »Ich glaube nicht, dass Sie es zulassen wollen«, sagte er. »Ich frage mich eher, ob Sie eine Wahl haben.«
    »Die habe ich, je mehr Freunde ich gewinne.«
    »Sie sind Weltmeister darin, sich Feinde zu machen! Ich weiß, Ihnen schwebt eine Liga der außergewöhnlichen Gentlemen vor, eine Weltmacht unabhängiger Investoren, aber dafür greifen Sie massiv in nationale Belange ein. Wie passt das zusammen? Sie wollen mein Geld, also russisches Geld, andererseits mit Moskau nichts zu schaffen haben.«
    »Ist es denn russisches Geld, bloß weil Sie Russe sind?«
    »Man sähe es dort jedenfalls lieber, ich würde mein Vermögen in die nationale Raumfahrt investieren.«
    »Viel Spaß. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie es zu einem eigenen Weltraumfahrstuhl gebracht haben.«
    »Sie trauen uns das nicht zu?«
    »Sie glauben es doch selber nicht! Bei mir liegen die Patente. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich ohne Amerika weniger weit gekommen wäre. Beide haben wir astronomische Summen in die Raumfahrt investiert. Aber Russland ist pleite. Putin hat seinen Mafiastaat damals auf Öl und Gas gegründet, das jetzt keiner mehr haben will. Ihr habt gepokert und verloren. Vergessen Sie nicht, Oleg, dass Orley Enterprises zehnmal so groß ist wie ROGAMITTAL. Wir sind der größte Technologiekonzern der Welt, dennoch, meine Investoren und ich brauchen einander. Ihnen aber wird man in Moskau gar nichts zustecken. Es wäre vielleicht eine patriotische Geste, Russlands marode Raumfahrt zu sponsern, doch ihr Geld würde versickern. Sie würden gar nicht lange genug durchhalten, um mit mir gleichzuziehen, Ihr Staat hätte Sie vorher bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt, ohne dass brauchbare Ergebnisse vorlägen.«
    Diesmal schwieg Rogaschow noch länger. Dann lächelte er wieder.
    »Moskau würde Ihnen freiere Hand lassen als Washington. Keine Lust, die Fronten zu wechseln?«
    »Ich schätze wohl, das müssen Sie mich fragen.«
    »Man hat mich gebeten, Ihre Bereitschaft auszuloten.«
    »Erstens, wir sind nicht mehr im Kalten Krieg. Zweitens, Russland kann sich meine Exklusivität nicht leisten. Drittens, ich stehe auf niemandes Seite. Frage beantwortet?«
    »Formulieren wir sie anders. Wären Sie unter Umständen bereit, Ihre Technologien auch an Russland zu verkaufen?«
    »Wären Sie bereit, bei mir einzusteigen? Sie sind doch nicht hier, weil Sie Angst vor Moskau haben.«
    Rogaschow strich sich über das Kinn.
    »Wissen Sie was?«, sagte er. »Ich schlage vor, wir vertagen uns und machen erst mal Urlaub.«
     
    Die Charon war im Wesentlichen eine dreifach segmentierte, sieben Meter durchmessende und 28 Meter lange Röhre mit angekoppeltem Landemodul. Ein fliegender Omnibus, aufgeteilt in Schlafsaal und Kommandokanzel, Bistro und Salon, dem seine Schöpfer die Gnade aerodynamischer Gefälligkeit versagt hatten, weil er nie in die Verlegenheit geraten würde, eine Atmosphäre zu durchqueren. Auch die Apollo-Kapseln und der ursprünglich geplante Space Shuttle-Nachfolger Orion waren den Erwartungen designverwöhnter Kinogänger nicht unbedingt entgegengekommen, hatten aber wenigstens mit einem schick gerundeten Näschen aufwarten können, das beim Eintritt in die Thermosphäre rot zu glühen begann. Die Charon indes verströmte den Charme eines Haushaltsgeräts. Eine Tonne in Weiß und Grau, hier glatt, dort geriffelt, zu Teilen mit

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