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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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rotierend wie ein Spanferkel.
    »Rückstrahlkraft. Der Anteil des auftreffenden Lichts, den Oberflächen abstrahlen. Die Reflexionsrate von Mondgestein ist nicht besonders hoch, besonders in den Maria nicht –«
    »Versteh' kein Wort.«
    »In den Meeren«, erklärte Julian geduldig. »Die Gesamtheit der Mondmeere heißt Maria. Mehrzahl von Mare. Sie erscheinen dunkler als die Ringgebirge der Krater.«
    »Warum wirkt der Mond dann von der Erde aus betrachtet weiß?«
    »Weil er keine Atmosphäre hat. Das Sonnenlicht knallt ungefiltert auf seine Oberfläche. Ebenso ungefiltert würde es auf die ungeschützte Netzhaut eines Astronauten knallen. Die UV-Strahlung hier draußen ist weit gefährlicher für unsere Augen als auf der Erde, also sind auch die Fenster unseres Raumschiffs abgedunkelt.«
    »Man hat doch jede Menge Mondgestein mit zur Erde gebracht«, sagte Rogaschow. »Welche Farbe hat es denn da?«
    »Dunkelgrau. Aber das muss nicht heißen, dass der Mond als Ganzes dunkelgrau ist. Vielleicht mischt sich hier und da tatsächlich ein Schimmer Braun mit rein. Oder Gelb.«
    »Genau«, sagte O'Keefe hinter seinem Buch.
    »Jeder sieht ihn halt ein bisschen anders. Jedem sein Mond.« Julian gesellte sich zu Chambers. Tief unter ihnen zog ein einzelner, riesiger Krater hindurch. Flüssiges Licht schien von seinen Hängen in die umgebende Ebene zu strömen. »Bei der Gelegenheit, das da ist Copernicus. Nach allgemeiner Auffassung der spektakulärste aller Mondkrater, entstanden vor über 800 Millionen Jahren. Misst gut 90 Kilometer im Durchmesser, mit Wällen, die jeden Bergsteiger ins Schwitzen bringen dürften, aber wirklich beeindruckend ist seine Tiefe. Seht ihr den gewaltigen Schattenwurf im Inneren? Fast vier Kilometer geht es abwärts bis zum Grund der Senke.«
    »In seinem Zentrum sind Berge«, bemerkte Chambers.
    »Wie ist das möglich?«, wunderte sich Olympiada. »Ich meine, mitten in einer Einschlagstelle? Müsste da nicht alles platt sein?«
    Julian schwieg eine Weile.
    »Stellt euch Folgendes vor«, sagte er. »Die Mondoberfläche, so wie ihr sie seht, nur ohne Copernicus. Klar? Alles still und friedlich. Noch! Denn aus den Tiefen des Alls kommt ein Brocken angerast, elf Kilometer groß, 70 Sekundenkilometer schnell, 200-fache Schallgeschwindigkeit, und da ist keine Atmosphäre, nichts, was ihn abbremsen könnte. Stellt euch weiter vor, wie dieses Ding in die Ebene kracht. Der Aufprall selbst vollzieht sich in wenigen Tausendstel Sekunden, etwa hundert Meter dringt der Meteorit in die Oberfläche ein, nicht sonderlich tief, sollte man meinen, und so ein Loch von elf Kilometern ließe sich eigentlich verschmerzen – nur, die Sache funktioniert ein bisschen anders. Das Vertrackte an Meteoriten ist nämlich, dass sie im Moment des Einschlags ihre komplette Bewegungsenergie in Wärme umsetzen. Mit anderen Worten, das Ding explodiert! Es ist weniger der Einschlag selbst als diese Explosion, die zehn bis zwanzig Mal größere Löcher reißt, als ihre Verursacher durchmessen. Millionen Tonnen Gestein werden nach allen Seiten weggesprengt, blitzartig bildet sich ein Wall rund um den Krater, doch das Ganze ist entsetzlich schnell gegangen, so ruckzuck lassen sich die verdrängten Mengen Mondbasalt nicht umschichten, also wird der Boden schockartig eingedellt und auf die Tiefe mehrerer Kilometer komprimiert. Noch während riesige Wolken ausgeworfenen Materials über der Einschlagstelle aufsteigen, federt er aber schon wieder zurück, der Meteorit hat sich ja vollständig in Hitze verwandelt und ist nicht mehr da, schnellt hoch und türmt sich zu einem Bergmassiv im Zentrum des Lochs. Gleichzeitig breiten sich die Gesteinswolken rapide aus. Einmal mehr macht sich das Fehlen einer bremsenden Atmosphäre bemerkbar, die den Radius der Expansion eindämmen würde. Stattdessen wird der Schutt endlos nach außen geschleudert, bevor er niedergeht, Hunderte von Kilometern weit, Milliarden und Abermilliarden Geschosse. Dieses Auswurfmaterial könnt ihr heute noch sehen, als Strahlenkranz, besonders bei Vollmond. Es hat eine andere Albedo als der dunklere Basalt ringsum, scheint aus sich selbst heraus zu leuchten. Tatsächlich reflektiert es einfach nur ein bisschen mehr Sonnenlicht. So in etwa müsst ihr euch vorstellen, wie Copernicus entstanden ist. Victor Hugo sah darin übrigens ein Auge, das den Mondbetrachter anblickt.«
    »Aha«, sagte Olympiada mutlos.
    Julian grinste in sich hinein, schmeckte die betretene Stille,

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