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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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durchsetzte die Gashüllen Jupiters, Saturns, Uranus und Neptuns, lagerte sich auf den Oberflächen ihrer Trabanten ab und erreichte natürlich auch den Erdmond, jeder Partikel 400 Sekundenkilometer schnell. Die Teilchen prallten in den Regolith, hefteten sich an den grauen Staub, verteilten sich in Ebenen und auf Kraterwällen, und einige Billionen von ihnen kollidierten mit einer kolossalen Frau am Rande des Vallis Alpina im lunaren Norden, ohne ihre Haut durchdringen zu können, jedenfalls nicht dort, wo diese mit Mondbeton gepanzert war. Unbeeindruckt vom kosmischen Hagel saß Gaia auf ihrem Felsvorsprung, das blicklose Gesicht der Erde zugewandt. Julians Frau im Mond:
     
    Lynns Albtraum.
    Der gestrandete Ozeandampfer am Vulkanhang der Isla de las Estrellas, das OSS Grand, beide waren in ihrer Fantasie gereift. Gaia indes entsprang einem Traum Julians, der seine Tochter darin höchstpersönlich auf dem Mond hatte sitzen sehen, eine Lichtgestalt vor dem schwarzen, sternenbesetzten Brokat des Weltraums. Typischerweise erblickte er Lynn in metaphorischer Überhöhung, als Ideal einer sich ausbreitenden, geläuterten Menschheit, erwachte, rief sie noch vom Bett aus an und erzählte ihr von seiner Vision. Und natürlich hatte Lynn die Idee eines Hotels in Menschengestalt mit Begeisterung aufgenommen, ihren Vater beglückwünscht und versprochen, umgehend die ersten Entwürfe zu fertigen, während ihr das verklärende Moment ihrer selbst so sehr auf den Magen schlug, dass sie eine Woche lang nicht schlief, ihre Essstörungen auf einem neuen Level der Verweigerung kultivierte und anfing, kleine grüne Tabletten zu schlucken, um ihrer Versagensängste Herr zu werden, doch irgendwie schaffte sie es, den Koloss an den Rand des Vallis Alpina zu stellen, ein Riesenweib, benannt nach der mythischen Erdmutter des alten Griechenland.
    Gaia.
    Und das Weib war ihr gelungen! Im Wahnsinn der Realisierung verdampfte ihr letzter Rest Energie, dafür konnte sie auf ein Meisterwerk blicken. Zumindest fand jeder, dass es eines sei. Sie selbst war dessen nicht so sicher. Julians Logik zufolge hätte sie an Gaia genesen müssen, da er das Projekt als therapeutische Maßnahme gegen die Nachwehen ihrer ominösen, eben erst überstandenen Krankheit sah, deren Natur er in etwa so sehr begriff, als sei sie vorübergehend von Aliens entführt und auf einen fremden Planeten verschleppt worden. Ebenfalls typisch für Julian, hatte er sich in den Glauben verstiegen, ihrem Leiden liege ein Mangel an Herausforderungen zugrunde, ein erdrückendes Übermaß an Routine, die ihr sonst so agiles Blut eindickte. Lynn hatte Orley Travel, den Touristikkonzern der Gruppe, über die Jahre vorbildlich geführt. Möglich, dass sie sich nach etwas Aufregendem, Neuen sehnte. Vielleicht war sie ja unterfordert. Sie verwaltete die Welt, aber war die Welt genug? Private Suborbitalflüge, bezahlte Ausflüge zur OSS, Reisen zu den kleineren Hotels in der Umlaufbahn, all das hatte Ende des zweiten Jahrzehnts noch im Verantwortungsbereich von Orley Space gelegen, streng genommen aber handelte es sich dabei um Touristik.
    Und so hatte Julian beschlossen, nicht Orley Space, sondern seine Tochter mit dem größten Abenteuer in der Geschichte des Hotelbaus zu betrauen.
     
    Was die Planung des titanischen Projekts vereinfachte, waren statische Freiheiten, da auf dem Mond alles nur den sechsten Teil seines irdischen Gewichts wog. Erschwert wurde die Arbeit durch das völlige Fehlen jeder Erfahrung im lunaren Hochbau. Große Teile der amerikanischen Mondbasis waren unterirdisch angelegt, der Rest denkbar flach. China hatte völlig auf einen festen Standort verzichtet und seinen Außenposten in verkoppelbaren, tankwagenartigen Fahrzeugen untergebracht, die unweit des Fördergebiets den Verarbeitungsmaschinen folgten. Am lunaren Südpol, auf den Kraterrändern des Aitken-Beckens, teilte sich eine kleine Station der Deutschen ein sonniges Plätzchen mit seinem französischen Äquivalent, jeweils ausgelegt für zwei Mann Besatzung, während im Oceanus Procellarum ein munteres Dingsda, emsig und automatisiert, Traumgrundstücke für eine russische Basis ausspähte, die nicht gebaut werden würde. Das Mare Serenitatis bot einem indischen Roboter Heim und Kurzweil, Japan unterhielt ein desolates, weil leer stehendes Habitat um die Ecke. Mehr bauliches Anschauungsmaterial hatte der Mond nicht zu bieten. Immerhin bewies die Hochbahn, dass aufstrebende, filigrane Konstruktionen in

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