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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sagte sie, in jedes Wort tiefe Geheimnisse legend. »Aufschluss könnte das Video eines Augenzeugen geben, der die Bahn zufällig filmte, als das Unglück geschah. Wenn es denn ein Unglück war. Über die Identität des Toten gibt es derzeit noch keine –«
    »Das Video des Augenzeugen«, unterbrach Jericho. »Identität des Toten.«
    »Das Video ist leider nicht verfügbar.« Der Computer schaffte es, einen Anflug von Bedauern durchklingen zu lassen. Jericho hatte das Emotionslevel des Systems auf 20 Prozent eingestellt. Damit klang die Stimme nicht mechanisch, sondern menschlich und warm. Außerdem befleißigte sich der Computer einer gewissen Verbindlichkeit. »Über die Identität des Toten liegen zwei Meldungen vor.«
    »Bitte vorlesen.«
    »Shanghai Satellite schreibt: Bei dem Toten handelt es sich offenbar um einen Mann namens Wang Jintao. Wang ist Student an –«
    »Die andere Meldung.«
    »Die Nachrichtenagentur Xinhua schreibt: Der Tote wurde eindeutig identifiziert als Wang Jintao. Wang, der sich auch Grand Cherokee nannte, studierte –«
    »Meldungen über die genauen Umstände seines Todes.«
    Es gab jede Menge Meldungen, wie sich herausstellte, ohne dass sich jemand festlegen mochte. Dennoch fügten sie sich zu einem interessanten Bild. Fest stand, dass jemand den Silver Dragon zehn Minuten zu früh von der Kette gelassen hatte, noch vor Eintreffen der Fahrgäste. Grand Cherokees Aufgabe hatte darin bestanden, das System zu warten und sich um die Vormittagsbesucher zu kümmern, was konkret hieß, abzukassieren und die Bahn zu starten. Außer ihm hätte sich zum fraglichen Zeitpunkt niemand dort oben aufhalten dürfen, allerdings gab es Hinweise darauf, dass möglicherweise doch jemand da gewesen war. Zwei Mitarbeiter aus der Sky Lobby wollten gesehen haben, wie Wang einen Mann in Empfang nahm und mit ihm in einem der Aufzüge verschwand. Zusätzliche Hinweise schien das Video des Amateurfilmers zu liefern, demzufolge sich Wang, während die Bahn bereits fuhr, auf den Schienen herumgetrieben hatte.
    Was zum Teufel hatte Wang da gemacht?
    Möglich, dass er die Bahn unabsichtlich gestartet hatte, mutmaßte ein kurzer Artikel des Shanghai Satellite. Selbstmord erschien einleuchtender. Andererseits, warum sollte ein Selbstmörder ein Gleis entlangbalancieren, wenn er einfach aus dem offenen Bahnhof hätte springen können? Zumal, wie ein weiterer Artikel vermeldete, immer mehr darauf hindeutete, dass Wang gar nicht gesprungen, sondern von dem heranrasenden Zug über den Haufen gefahren worden war.
    Doch ein Unfall? Jedenfalls sprach niemand von Mord, nur von einem möglichen Fremdverschulden war hier und da die Rede.
    Zwei Minuten später war Jericho schlauer. Xinhua meldete, die Aufzeichnungen der Überwachungskameras lägen nun vor. Wang habe sich in Begleitung eines hochgewachsenen Mannes befunden, der die Etage unmittelbar nach dem Absturz verließ. Offenbar habe es Streit zwischen beiden gegeben, definitiv sei Wang ungesichert über die Schienen gelaufen und in Höhe des Südpfeilers mit der Bahn kollidiert.
    Jericho trank seinen Tee aus und dachte nach.
    Warum hatte der Junge sterben müssen?
    Wer war sein Mörder?
    »Computer«, sagte er. »Öffne Yoyofiles.«
    Mehr als zweitausend Übereinstimmungen. Wo sollte er anfangen? Er beschloss, den Übereinstimmungsgraduenten mit 95 Prozent anzusetzen, woraufhin 117 Files verblieben, auf denen das Überwachungssystem Yoyo zu erkennen glaubte.
    Er befahl, direkte Augenkontakte zu selektieren.
    Es gab nur einen, in unmittelbarer Nähe von Yoyos Wohnblock, erfolgt um 02.47 Uhr. Jericho vermochte nicht zu sagen, wo genau sich der Scanner befand, aber er vermutete ihn in einem Straßenschild. In einer separaten Datei waren die exakten Koordinaten vermerkt. Ohne jeden Zweifel war die Frau auf der gegenüberliegenden Straßenseite Yoyo. Sie saß auf einem Motorrad ohne Kennzeichen und hielt den Kopf gesenkt, beide Hände um einen Helm geschlossen. Unmittelbar bevor sie ihn aufsetzte, hob sie den Blick und schaute direkt in den Scanner, dann klappte sie ein spiegelndes Visier herunter und raste davon.
    »Erwischt«, murmelte Jericho. »Computer, lass den Film zurücklaufen.«
    Yoyo nahm den Helm schwungvoll wieder ab.
    »Stop.«
    Sie sah ihm direkt in die Augen.
    »Vergrößern auf 230 Prozent.«
    Die neuartige Wand gestattete es, Yoyo in Lebensgröße zu projizieren. So wie sie auf ihrer Maschine saß, plastisch in dreidimensionaler Umgebung, war es, als habe

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