Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
Hochgeschwindigkeitstrasse an, als er einen Anruf bekam. Das Display blieb dunkel.
    »Ihr Verfolger hat das Gelände verlassen«, ließ ihn Zhao wissen.
    Unwillkürlich schaute Jericho in den Rückspiegel. Dämliche Idee. Auf der Trasse waren ausschließlich CODs unterwegs, von identischer Farbe und Form.
    »Bislang hab ich niemanden gesehen«, sagte er. »Zumindest kann er mir nicht unmittelbar gefolgt sein.«
    »Nein, er hat eine Weile gewartet.«
    »Können Sie ihn beschreiben?«
    »Ein Chinese.«
    »Ach was.«
    »Ungefähr meine Größe. Elegante Erscheinung. Jemand, der eindeutig nicht nach Quyu gehört.« Zhao machte eine Pause. »Da waren Sie schon glaubwürdiger.«
    Jericho meinte ihn grinsen zu sehen. Das COD beschleunigte.
    »Ich habe Yoyos Papierkorb durchforstet«, sagte er, ohne auf Zhaos Bemerkung einzugehen. »Sie scheint sich in einem Laden zu verköstigen, der Wongs World heißt. Schon mal gehört?«
    »Könnte sein. Ein Schnellimbiss?«
    »Möglich. Vielleicht auch ein Supermarkt.«
    »Finde ich raus. Kann ich Sie heute Abend erreichen?«
    »Ich bin immer erreichbar.«
    »Das dachte ich mir. Sie sehen nicht aus wie einer, auf den zu Hause jemand wartet.«
    »He, Augenblick mal!«, fuhr Jericho auf. »Woher wollen Sie –«
    »Bis später.«
    Blödmann!
    Jericho starrte in eine rote Wolke aus Zorn, doch sie zersetzte sich rasch. An ihre Stelle trat ein Empfinden von Ohnmacht und Ausgeliefertsein. Das Schlimme war, dass Zhao recht hatte. Niemand wartete auf ihn, schon seit Jahren nicht. Der Mann mochte ein Flegel sein, aber er hatte die Wahrheit gesprochen. Dabei war Jerichos Typ durchaus gefragt. Sportlich, blond und mit leuchtend blauen Augen, wurde er gemeinhin für einen Skandinavier gehalten, und die standen bei chinesischen Frauen hoch im Kurs. Ebenso war ihm bewusst, dass er den Mann, der aus dem Spiegel zurücksah, kaum je eines Blickes würdigte. Seine Kleidung war mit dem Attribut zweckmäßig hinreichend beschrieben. Er pflegte sich eben so sehr, dass er nicht ungepflegt wirkte. Alle drei Tage schabte er Kinn und Wangen ab, alle drei Monate ließ er sich bei seinem Friseur blicken, um das Unkraut zurückzustutzen, wie er es ausdrückte, kaufte T-Shirts im Dutzend, ohne sich zu fragen, ob sie ihm standen. Im Grunde war der dicke, kahle Tu Tian in der Kultivierung seiner Unkultur spannender.
    Als ihn die Trasse nahe Xintiandi wieder ausspuckte, war seine Wut abgestandener Niedergeschlagenheit gewichen. Er versuchte sich sein neues Zuhause vorzustellen, doch der Trost blieb aus. Xintiandi schien weiter entfernt denn je, ein Vergnügungsviertel, in das er nicht gehörte, weil Vergnügtheit seinem Wesen abging und andere kein Vergnügen aus ihm zogen.
    Da war sie wieder, die Stigmatisierung.
    Dabei hatte er sie überwunden geglaubt. Wenn ihn Joanna eines gelehrt hatte, dann, dass er nicht mehr der Junge aus seiner Schulzeit war, der mit achtzehn noch ausgesehen hatte wie fünfzehn. Der nie eine Freundin haben würde, weil seine Mitschülerinnen samt und sonders auf andere Typen abfuhren. Was nicht ganz zutraf. Als verständnisvollen Freund hatten sie ihn sehr wohl geschätzt, eine perfide Umschreibung für Mülleimer, wie er fand. Tränenerstickt hatten sie ihn mit Beziehungsdetails gefoltert, ihm ihren Liebeskummer anvertraut, lauter therapeutische Sitzungen, an deren Ende sie Jericho wissen ließen, ihn wie einen Bruder zu lieben, da er gottlob der einzige Junge auf dem Planeten sei, der nichts von ihnen wolle.
    Mit gebrochenem Herzen hatte er Seelen geflickt und ein einziges Mal mehr gewagt, bei einer stupsnasigen Brünetten, die gerade von ihrem älteren Freund, einem notorischen Fremdgänger, verlassen worden war. Genauer gesagt hatte er das Mädchen zum Essen eingeladen und versucht, ein bisschen mit ihr zu flirten. Zwei Stunden lang hatte es ganz ausgezeichnet geklappt, allerdings nur, weil die Stupsnasige gar nicht mitbekam, dass es ein Flirt sein sollte. Selbst als er seine Hand auf ihre legte, hielt sie ihn noch für drollig. Dann erst dämmerte ihr, dass den Mülleimer Bedürfnisse plagten, und sie hatte das Restaurant verlassen, ohne je wieder ein Wort mit ihm zu wechseln. Owen Jericho hatte zwanzig werden müssen, bis sich die Tochter eines walisischen Wirts erbarmte, ihn zu entjungfern. Hübsch war sie nicht gewesen, nur durch ähnliche Höllen gegangen wie er, was verbunden mit einigen Pints gezapften Lagers die erforderlichen Voraussetzungen schuf.
    Danach war es besser gelaufen,

Weitere Kostenlose Bücher