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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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vorübergehend zu verlassen. Nachdem er einen weiteren Scanner neben der Eingangstür des Cyber Planet verankert hatte, fuhr Jericho los. Sollten die Späher eine der Zielpersonen erfassen, könnte er binnen weniger Minuten wieder dort sein.
    Noch waren die Straßen leer, sodass er gut durchkam. Hinter einem rußschwarzen Gebäude stellte er den Toyota ab, rückte seine Holobrille zurecht und näherte sich Wongs World zu Fuß. Die Glasfront des hiesigen Cyber Planet spiegelte das beginnende Markttreiben. Eindeutig war diese Wong-Filiale weniger heruntergekommen als die andere. Wie Zhao es beschrieben hatte, fehlten die Verschläge für die Prostituierten und Betreiber von Glücksspielen, alles schien ausschließlich der Zubereitung von Essen und dem Verkauf von Lebensmitteln zu dienen. In Körben und Schütten wurden Gemüse, Kräuter und Gewürze feilgeboten. Eine Frau fischte für eine Kundin mit Hilfe eines Stockgalgens eine Schlange aus einem Korb, die in heftige Zuckungen verfiel, als die Verkäuferin ihr routiniert den Leib aufschnitt und die Haut abzog. Jericho wandte sich ab und sog den Geruch frischer Wan Tans und Baozis ein. Der Stand war gut besucht. Zwei junge Männer mit feucht glänzenden Oberkörpern, in Dampf gehüllt, der aus gewaltigen Töpfen aufstieg, schwangen ihre Kellen, reichten Schalen mit Brühe und knusprige, mit Krabben oder Schweinefleisch gefüllte Teigtaschen über die Theke. Jericho ging weiter, die Missfallensbekundungen seines Magens ignorierend. Essen konnte er später. Er überquerte die Straße, betrat den Cyber Planet und ließ den Blick schweifen. Zhao war nicht zu sehen. Schlafkojen gab es keine, allenfalls konnte er die Toilette aufgesucht haben. Jericho wartete zehn Minuten, doch Zhao tauchte nicht auf.
    Er trat wieder nach draußen.
    Und plötzlich sah er sie.
    Es waren zwei. Beide schlenderten zum Wan-Tan-Stand und schauten dabei unbeabsichtigt in seine Richtung. Ihre Umrisse erglühten rot auf dem Glas der Holobrille. Der Junge trug Jeans und T-Shirt, das Mädchen einen Minirock, für den sie zehn Kilo zu viel auf die Waage brachte, sowie eine Motorradjacke, auf der das klotzige Logo der City Demons prangte. Bepackt mit Wongs World -Papiertüten ließen sie die verschwitzten Wan-Tan-Köche großzügige Portionen Brühe in verschließbare Plastikschalen füllen, die sie schwatzend und lachend in Empfang nahmen und in den Tüten verstauten. Beide schienen sorglos und guter Dinge. Sie unterhielten sich eine Weile mit anderen Kunden und gingen weiter.
    Sie kauften Frühstück für eine halbe Kompanie.
    Jericho folgte ihnen, während ihn der Computer mit Details versorgte, indem er auf Tus Datenbestand zurückgriff. Das Mädchen hieß Xiao Meiqi, genannt Maggie, Studentin der Informatik. Der Name des Jungen war Jin Jia Wei, Studium der Elektrotechnik. Tu zufolge gehörten sie zu Yoyos innerem Zirkel. Mit Daxiong kannte Jericho damit schon vier der sechs Dissidenten von Angesicht, und ganz sicher würden die beiden den Inhalt der Tüten nicht im Alleingang niedermachen.
    Er schob sich näher heran und hielt zugleich Ausschau nach Zhao. Maggie Xiao und Jin Jia Wei ließen sich Thermoskannen mit Tee abfüllen, erstanden Zigaretten und kleine Kuchen mit einer Paste aus Nüssen, Honig und roten Bohnen, die Yoyo, wie Jericho sich entsann, liebte, dann überquerten sie die Straße. Im Moment, da er ihre geparkten E-Bikes auf der gegenüberliegenden Seite sah, wusste er, dass es keinen Zweck hatte, die beiden weiter zu Fuß zu verfolgen. Er machte kehrt, startete den Toyota und steuerte ihn zwischen Passanten und Radfahrern hindurch. Die Straße war zu breit für Wäscheleinen, nichts nahm ihm die Sicht, sodass er in wenigen Kilometern Entfernung die Silhouette des Hochofens emporragen sah. Jin und Maggie preschten auf ihren Bikes darauf zu. Sekunden später hatte auch Jericho das Marktgewühl hinter sich gelassen und eine staubige Freifläche vor Augen, jenseits derer sich die Anlage des alten Stahlwerks erstreckte. Die Bikes zogen wolkige Spuren. Er vermied es, den zweien in gerader Linie zu folgen, sondern lenkte den Toyota in den Schatten einer Reihe niedriger Containerbauten.
    Yoyo steckte irgendwo in der riesigen Industrieruine, dessen war er sicher.
    Gespannt sah er zu, wie die Bikes Kurs auf den Hochofen nahmen, der im Gegenlicht der Morgendämmerung einer Abschussrampe für Raumschiffe ähnelte, im Stil, wie sie Jules Verne vorgeschwebt haben mochte. Ein tonnenförmiger, sich

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