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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Intuition, spürte er die Gefahr wie in Wellen von dem Ding ausgehen.
    Niemand besaß ein Airbike in Quyu.
    Er wich zurück. Zwischen Wongs World und dem Cyber Planet sah er zwei weitere der bulligen Maschinen auftauchen und dicht über dem Boden dahingleiten. Zugleich schlitterte ein Wagen hinter den umliegenden Containerbauten hervor und hielt auf den Hochofen zu. Das Airbike schien sich aufzublähen, eine Sinnestäuschung, hervorgerufen durch die hohe Geschwindigkeit, mit der es sich näherte.
    »Yoyo!«, schrie er.
    Gleich einem fetten, fliegenden Fisch schoss die Maschine heran. Sonnenreflexe huschten über die abgeflachte Windschutzscheibe und blitzten im Schwungrad der Turbine auf, als der Pilot sein Gewicht verlagerte und das Bike in eine Kurve zwang. Jia Wei stolperte rückwärts ins Innere, die Tüten umklammert, während das Fauchen anschwoll und das Turbinenmaul sich zu dehnen begann, als wolle es ihn in sein rotierendes Schreddergebiss saugen. Im nächsten Augenblick sank das Airbike herab, Maggies und Yoyos Stimmen in einer Lärmwoge hinwegfegend, berührte den Plattformboden, und er sah etwas in der Hand des Piloten aufblitzen –
     
    Xin schoss.
    Die Munition pflügte durch den Jungen und die Tüten in seinen Armen. Jia Weis Gesicht explodierte, Flaschen barsten, heiße Suppe, Cola und Kaffee, Blut, Hirnmasse, Wan Tans und Knochensplitter spritzten wild durcheinander. Noch während der aufgeplatzte Körper nach hinten kippte, war Xin aus dem Sattel gesprungen und hatte die Schwelle des Gebäudes übertreten.
    Sein Blick erfasste das Innere im Bruchteil einer Sekunde, sondierte, kategorisierte, unterteilte in erhaltenswert, überflüssig, interessant und vernachlässigbar. Steuerpulte mit abgeschalteten Monitoren, blind vor Staub, deuteten auf ein ehemaliges Kontrollzentrum hin, ausgestattet mit Mess- und Regeltechnik zur Überwachung der Hochofenanlage. Ebenso offensichtlich war, welchem Zweck der Raum nun diente. In der Mitte waren Tische zusammengeschoben worden, mit hochmodernen Geräten darauf, transparenten Displays, Computern und Tastaturen. Pritschen an der rückwärtigen Wand zeugten davon, dass die Zentrale bewohnt war oder gelegentlich als Übernachtungsmöglichkeit genutzt wurde.
    Er schwenkte die Waffe. Das dicke Mädchen reckte die Hände, Xiao Meiqi, oder hieß sie Maggie? Egal. Ihr Mund stand weit offen, die Augäpfel schienen die Höhlen verlassen zu wollen, was sie ziemlich hässlich machte. Xin schoss sie mit der Beiläufigkeit nieder, mit der Machthabende weniger bedeutenden Leuten die Hand schüttelten, fegte, was sie an Tüten auf dem Tisch abgestellt hatte, mit dem Lauf seiner Waffe beiseite und richtete die Mündung auf Yoyo.
    Kein Laut kam von ihren Lippen.
    Neugierig legte er den Kopf schief und betrachtete sie.
    Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Menschen zeigten Angst und Entsetzen auf unterschiedliche Weise. Jin Jia Wei etwa hatte in seiner letzten Lebenssekunde ausgesehen, als könne man die Angst förmlich aus ihm herauswringen. Meiqis Angst wiederum hatte ihn an Edvard Munch erinnert, Der Schrei, ein Zerrbild ihrer selbst. Es gab Menschen, die im Leiden noch Würde und Ansehnlichkeit wahrten. Meiqi hatte nicht dazu gehört. Kaum jemand gehörte dazu.
    Yoyo hingegen starrte ihn einfach nur an.
    Sie musste aufgesprungen sein im Moment, da Jia Wei ihren Namen gerufen hatte, was ihre geduckte, katzenartige Haltung erklärte. Ihre Augen waren geweitet, doch ihr Gesicht wirkte merkwürdig ausdruckslos, ebenmäßig, beinahe perfekt, hätte nicht ein Schatten um ihre Mundwinkel den Eindruck leicht ins Gewöhnliche gezogen. Dennoch war sie schöner als die meisten Frauen, die Xin in seinem Leben gesehen hatte. Er fragte sich, wie viel Zuwendung ihre Schönheit verkraften mochte. Fast bedauerlich, dass ihnen keine Zeit dazu bleiben würde.
    Dann sah er, wie Yoyos Hände zu zittern begannen.
    Ihr Widerstand brach.
    Er zog einen Stuhl heran, nahm darauf Platz und ließ die Waffe sinken.
    »Ich habe drei Fragen an dich«, sagte er.
    Yoyo schwieg. Xin ließ einige Sekunden verstreichen, wartete darauf, sie kollabieren zu sehen, doch außer, dass sie zitterte, veränderte sich nichts an ihrer Haltung. Unverändert starrte sie ihn an.
    »Auf alle drei Fragen erwarte ich eine schnelle und ehrliche Antwort«, fuhr er fort. »Also keine Ausflüchte.« Er lächelte, so wie man Frauen anlächelt, deren Gunst man durch Offenheit zu gewinnen trachtet. Ebenso gut hätten sie in einer

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