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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sein Airbike daneben abgestellt und war von dort in den vierten Stock hinabgestiegen, nun stürmte er zurück ins Freie, das Gewehr im Anschlag, dessen Arretierung er in aller Hast gelöst hatte, aus unzähligen Schnittwunden blutend. Er lief zur Dachkante. Die Pagode fiel flach zu seinen Füßen ab und verdeckte den größten Teil der Straße, doch konnte er die ins Nichts greifenden Finger der Trassenstützen und die gegenüberliegende Seite mit dem Park erkennen. Neben einer Fußgängerbrücke sah er Yoyo und ihren Vater.
    Er nahm sie ins Visier und stellte fest, dass das Magazin leer geschossen war. Mit einem Wutschrei schleuderte er das Gewehr von sich, rannte zu seinem Airbike, saß auf, startete es und steuerte die Maschine senkrecht in die Höhe, bis er die Straße in ihrer ganzen Breite überblicken konnte. Dort liefen Jericho und Daxiong. Sie hatten den Mittelstreifen überquert und etwas über die Hälfte der Brücke zurückgelegt. Unter ihnen brandete der Verkehr hindurch. Aus der Luft wirkten sie wie Mäuse in einem Laborparcours, eine etwas pfotenlahm, wie es schien.
    Der Riese. Er hatte ihn getroffen.
    Xin langte aus, griff in die Waffenkammer und förderte eine handliche Maschinenpistole zutage. Mit aufheulenden Düsen stürzte er sich nach unten.
     
    Jericho sah ihn kommen. Er riss Daxiong, der in verkrümmter Haltung vor ihm herlief, am Jackenärmel zurück und zeigte nach oben.
    »Scheiße«, keuchte Daxiong. Er hob beide Arme, um die anderen auf das Bike aufmerksam zu machen, stöhnte auf. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Doch Yoyo erkannte auch so, was auf sie zukam. Sie sprang von ihrem Motorrad und begann aus Leibeskräften in Richtung Park zu laufen, Hongbing im Gefolge.
    »Daxiong«, schrie Jericho. »Wir müssen zurück.«
    »Nein!«
    »Wir schaffen es nicht bis rüber.«
    Er gab dem Riesen einen Stoß und schob ihn dorthin, wo der Hochweg den Mittelstreifen der Fahrbahn überquerte. Die Brücke grenzte an eine der gewaltigen Pfeilerkonstruktionen, auf denen die Schiene des Maglev verlaufen sollte. In regelmäßigen Abständen führten Sprossen daran herab. Jericho schwang sich über die Brüstung und kletterte nach unten. Er hoffte, Daxiong würde die Kraft aufbringen, ihm zu folgen. Er konnte den Kerl unmöglich nach unten tragen.
    Das Airbike schoss über die Fußgängerbrücke hinweg. Lautstark schlugen Geschosse ein. Daxiong verlor den Halt und landete unsanft im Gras des Mittelstreifens. Jericho lief zu dem Gestürzten, der sich aufsetzte und ein Gebrüll anstimmte, das den Autolärm mühelos übertönte. Zu Jerichos Erleichterung schrie Daxiong nicht vor Schmerzen, sondern stieß eine Kaskade von Flüchen und Verwünschungen aus, die allesamt Kennys langsames und qualvolles Ableben zum Inhalt hatten.
    »Hoch mit dir«, fuhr Jericho ihn an.
    »Ich kann nicht!«
    »Doch, kannst du. Ich bin nicht empfänglich für Walstrandungen.« Daxiong richtete seine Sehschlitze auf ihn.
    »Ich reiß ihm den Magen raus«, schrie er. »Und die Därme! Erst den Dickdarm, dann den Zwölffinger –«
    »Was immer du willst. Hoch jetzt!«
     
    Xin legte sich in die Kurve und zielte auf Yoyo.
    Im nächsten Moment waren sie unter den verschwenderisch blühenden Dächern der Bäume verschwunden, die den Park umstanden. Er ging tiefer und fegte über die Wiese auf die Qi-Gong-Gruppe zu. Aufrechten Kopfes, mit abgesunkenen Schultern, Ober- und Unterkörper im Einklang, breiteten die alten Leute ihre Arme aus, drehten die Handflächen und führten sie langsam nach oben, dehnten die Glieder, reckten die Arme, bis es den Anschein hatte, als bewahrten sie den Himmel davor, in die Siping Lu zu stürzen. Zwischen Platanen und Trauerweiden sah er die Fliehenden auftauchen und schoss, riss klaffende Wunden ins Holz. Die ersten Mitglieder der Gruppe gerieten aus dem Gleichklang. Sie vergaßen die Finger zu verschränken, versäumten das langsame Ausatmen, drehten die Köpfe.
    Im nächsten Moment stoben sie auseinander, als das Airbike zwischen ihnen hindurchfegte.
    Xin bremste die Maschine ab und steuerte auf das Wäldchen zu, in dem Yoyo und ihr Vater verschwunden waren. Keine Spur von ihnen. Er zog die Nase des Airbikes nach oben und gewann rasch an Höhe. Möglicherweise wollten sie den geeigneten Moment abpassen und auf der anderen Seite wieder herauslaufen, um ihre Motorräder zu erreichen. Mit fauchenden Düsen hielt er auf die beiden Maschinen zu. Als stromgetriebene Fahrzeuge konnten sie nicht

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