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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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aufspüren! Etwa so, wie man in Erwägung zieht, dass vielleicht doch nächste Woche ein Meteorit auf die Erde fällt, dass es vielleicht doch einen Gott gibt. Ich bin Hals über Kopf nach Berlin geflogen, um etwas zu verhindern, wovon ich nie – niemals! – gedacht hätte, dass es tatsächlich eintrifft, aber das Leben – Jan, mein lieber Jan! Das Leben ist doch zu schön. Zu schön!«
    »Komm zur Sache, Kenny.«
    Xin warf die Arme in die Luft, eine Was-wollen-wir-trinken-Geste, die Großzügigkeit des Gutsherrn.
    »Gut!«, krähte er. »Meinetwegen!«
    »Was heißt das?«
    »Versprochen. Es heißt, versprochen! Wenn alles glatt über die Bühne geht, ohne Zwischenfälle, ohne dass du Tricks versuchst, ohne dass du über Tricks auch nur nachdenkst, ohne den allerwinzigsten Schönheitsfehler – dann werdet ihr leben.« Er kam näher und kniff die Lider zusammen. Sein Tonfall wechselte wieder ins Schlangenhafte. »Sollte allerdings wider Erwarten irgendetwas aus dem Dossier an die Öffentlichkeit dringen, verspreche ich Nyela einen Tod auf Raten, wie du ihn dir nicht vorstellen kannst! Und du darfst dabei zusehen. Du darfst zusehen, wie ich ihr die Zähne einzeln ziehe, ihre Finger und Zehen abschneide, ihr die Augen rausschäle, ihr die Haut in Streifen vom Rücken ziehe, alles, während unser guter Mickey hier sie immer und immer wieder aufs Neue vergewaltigt, wieder und wieder, bis er nur noch ein wimmerndes, blutiges Stück Fleisch fickt, und dann ist sie noch lange nicht tot, Jan, noch lange nicht, auch das verspreche ich dir, und jedes einzelne Versprechen werde ich halten.«
    Vogelaar spürte Xins Atem auf seinem Gesicht, sah in die kalten, nachtdunklen Augen, fühlte Nyela in seinen Armen erzittern, hörte sein Herz in der Stille schlagen. Glaubte ihm jedes Wort.
    Mit trockenem Knallen gab die defekte Leuchtröhre ihren Geist auf.
    »Klingt gut«, sagte er. »Abgemacht.«
     

MUSEUMSINSEL
     
    Wie das schlecht verfugte Bruchstück einer Fliese lag die Museumsinsel im Satellitenbild Berlins und zwängte auf einer Länge von gut anderthalb Kilometern die Spree auseinander. Ein durchgehender Parcours verband ein Ensemble repräsentativer Bauten, deren Exponate zusammengenommen über sechstausend Jahre Kulturgeschichte umfassten. Von kathedralenartigen Räumen über verschwiegene Gewölbe wechselte man zu lichtdurchfluteten Höfen, verlor sich im Wahn antiker Monumentalarchitektur und in der stillen Zeitlosigkeit intimer Sammlungen. An der Nordspitze stieg gleich einem barocken Ozeandampfer die wilhelminische Fassade des kuppelgekrönten Bode-Museums aus dem Wasser, im Süden begrenzte eine klassizistische Front den Komplex, dessen imposantestes Gebäude, das Pergamon-Museum, dem Großdeutschlandtraum eines passionierten Hellenisten zu entstammen schien: Beiderseits eines bedrohlich wuchtigen Mittelflügels erstreckten sich zwei identische Langbauten, gegliedert durch Kolossalpilaster und mündend in dorische Tempelfassaden. Das ursprüngliche U der Anlage war 2015, nach Hinzufügung eines verglasten vierten Flügels, zu einem Quadrat geschlossen worden und ermöglichte einen beispiellosen Rundgang durch die ägyptische, islamische, vorderasiatische und römische Menschwerdung.
    Während seiner Berlinaufenthalte hatte Jericho die Insel oft überquert, die durch eine Vielzahl von Brücken mit der Innenstadt vernäht war, ohne je einen Fuß in die Museen gesetzt zu haben. Nie hatte die Zeit gereicht. Nun, da er die Spree entlangstakste, wollte sich beim Gedanken, dass es endlich so weit war, keine Freude einstellen. Seine Jacke spannte sich unter dem Druck der Geldpacken, die zusammen Vogelaars geforderte Summe ergaben. Die Glock steckte, für niemanden zu sehen, in ihrem Futteral. Er sah aus wie ein x-beliebiger Tourist, fühlte sich allerdings wie die sprichwörtliche Gans, die der Fuchs zum Essen eingeladen hatte. Sofern Vogelaar tatsächlich ein Dossier besaß, würden sie in aller Stille Information gegen Bares tauschen und jeder seiner Wege gehen. Falls nicht, stand Ärger zu befürchten. Der Söldner würde das Geld haben wollen, so oder so, und ganz sicher würde er dabei nicht auf die ölende Wirkung guten Zuredens vertrauen.
    Jericho betastete sein Ohr und verharrte.
    Die Tempelfassaden des Pergamon-Museums schienen ihn anzustarren, jedes Fenster ein observierendes Auge. Im Glasflügel wimmelten Bildungshungrige zwischen den Memorabilien versunkener Reiche. Er ging weiter, schaute auf die Uhr. Viertel

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