Limit
junge Angestellte erbot sich, dem Paar die Räumlichkeiten zu zeigen, und gemeinsam schlenderten sie zum Fahrstuhl. Xin schloss sich ihnen an. Während sie auf den Lift warteten, wurde der Kopf der Chinesin vom Gummiband der Neugier in seine Richtung gezogen. Ihr Blick verfing sich in der Wildnis seiner Locken und prallte von seiner verspiegelten Holobrille ab. Unschlüssig betrachtete sie seine schlangenledernen Stiefelspitzen, sichtlich irritiert von der Vorstellung, mit seinesgleichen dasselbe Hotel zu bewohnen. Ihr Mann klebte klein und bullig an ihrer Seite und starrte auf den Spalt zwischen den Aufzugtüren, bis diese sich endlich auseinanderschoben. Gemeinsam betraten sie den Aufzug. Niemand fragte ihn, ob er dazu gehöre. Die junge Frau schenkte ihm ein freundliches Lächeln, und er lächelte ebenso freundlich zurück.
»Auch auf die Sieben?«, fragte sie, vorsorglich auf Englisch.
»Ja, bitte«, sagte er.
Neben ihm erstarrte die Chinesin in der Gewissheit, dass er sogar dieselbe Etage bewohnte.
Tu riss die Bettdecke zurück, doch das Handy war ebenso wenig dort, wie es auf dem Schreibtisch und auf einem der Nachttische lag. Er durchwühlte die Laken, schleuderte die Kopfkissen beiseite, wütete in Linnen und Damast, quetschte seine Finger zwischen Matratze und Bettgestell.
Nichts.
Mit wem hatte er zuletzt telefoniert? Telefonieren wollen?
Mit dem Flughafen. Das zumindest war seine Absicht gewesen, doch dann hatte er beschlossen, den Anruf auf später zu verschieben. Tatsächlich hatte er das Ding sogar schon in der Hand gehabt.
Und verlegt.
Ein weiteres Mal erwanderte sein Blick den Schreibtisch, flog über Stühle, Sessel, Fußboden. Unglaublich, er wurde alt! Was hatte er zuletzt getan? Er sah sich dastehen, das Handy in der Rechten, während seine Linke etwas umfasst hielt, etwas in Schritthöhe –
Ach, richtig!
Siebentes Stockwerk.
Die Chinesin drängte sich rüde an der jungen Hotelangestellten vorbei nach draußen, als befürchte sie, Xin könne sie in letzter Sekunde beißen. Hingegen unterlag ihr Mann einem Anfall westlichen Höflichkeitsgebarens, trat einen Schritt zurück und ließ der jungen Frau mit strahlendem Lächeln den Vortritt. Xin wartete, bis die Gruppe außer Sichtweite war. Die Flure des Hotels spannten sich als Karree um ein sonniges Atrium, die Zimmer lagen zur Außenfront. Er studierte die Wegweiser. Zu seiner Befriedigung liefen die Hotelangestellte und das chinesische Ehepaar in entgegengesetzte Richtung der Räume, die Tu bewohnte.
Plötzlich war er alleine.
Der Teppichboden dämpfte seine Schritte. Er passierte eine Club Lounge, bog in den nächsten Flur ab, blieb stehen, brachte sich Tus Zimmernummern in Erinnerung.
712, 717, 727.
Die 712 lag zu seiner Linken. Rasch ging er weiter, aufwärts zählend. Die 717, ebenfalls verschlossen. Sein Mantel blähte sich, während er exakt in der Mitte des Flures blieb. Die 727 stand ein Stück offen.
Tu? Jericho? Yoyo?
Einer der drei würde sich gleich wünschen, abgeschlossen zu haben.
Yoyo sah den Gyrokopter zuerst.
»Wo?«, rief Jericho.
»Ich glaube, er kommt her.« Sie lief zum Rand des Skyports und sprang von einem Bein aufs andere. »Oh, Mist! Die Bullen. Es sind die Bullen!«
Jericho, der sich mit dem Piloten des Lufttaxis unterhalten hatte, überschattete die Augen mit der flachen Hand. Yoyo hatte recht. Es war ein Gyrokopter der Polizei, der sich näherte, ähnlich dem, den er vor wenigen Stunden über dem Brandenburger Tor gesehen hatte.
»Die können aus tausenderlei Gründen hier sein.«
Yoyo stob zu ihm herüber. »Tian wird alles versauen.«
»Noch ist gar nichts versaut.« Jericho deutete mit einer Kopfbewegung auf das Skycab. »Wir steigen schon mal ein. Dann sehen sie dich wenigstens nicht hier rumspringen.«
»Ha!«, rief Tu.
Weil er nämlich pinkeln gegangen war! Und während er gepinkelt hatte, die Linke mit der korrekten Ausrichtung des Strahls befasst, das Handy in der Rechten, hatte sein überstrapaziertes Hirn beide für den Bruchteil einer Sekunde durcheinandergebracht, sodass er beinahe den letzten Tropfen von seinem Telefon geschüttelt und in seinen Schwanz gesprochen hätte. Der Mensch im Würgegriff der Kommunikation. Entsetzen befiel ihn. Wenigstens auf einer Toilette, dachte er, sollte man nicht kommunizieren müssen. Es gab Grenzen. Nichts durfte einen Mann so weit bringen, sein Gemächt mit seinem Handy zu verwechseln.
Als Folge hatte er das Ding, das
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