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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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da?«
    »Nichts, nur –«
    »Wer sind Sie eigentlich? Die verdammte Gestapo?«
    »He.« Jericho nahm Tu bei den Schultern und versuchte ihn zurück auf den Sitz zu ziehen, was dem Versuch gleichkam, mit bloßen Händen eine Parkuhr zu versetzen. »Niemand unterstellt dir was. Sie müssen uns überprüfen. Warum erzählst du ihm nicht einfach –«
    »Was denn, was?« Tu starrte ihn an. »Dem da? Soll ich ihm erzählen, wie die Polizei ein halbes Jahr meines Lebens mit mir umgesprungen ist, dass ich heute noch schweißgebadet davon aufwache? Dass ich Angst habe, einzuschlafen, weil es in meinen Träumen wieder losgehen könnte?«
    »Nein, nur –« Jericho stockte. Was hatte sein Freund da gesagt?
    »Tian.« Yoyo legte eine Hand auf Tus Faust.
    »Nein, mir reicht's.« Tu schüttelte sie ab, entzog sich Jerichos Griff und stapfte davon. »Ich will in ein Hotel. Auf der Stelle! Ich will eine Pause, einfach mal eine Stunde in Ruhe gelassen werden.«
    »Sie müssen nicht ins Hotel«, sagte Hoff. » Wir haben Gästezimmer im Big O. Ich kann eines für Sie herrichten lassen.«
    »Tun Sie das.«
    Der Mann vom MI6 legte das Buch vor sich auf den Tisch und schraubte seinen Oberkörper dem entschwindenden Tu hinterher.
    »Die Befragung ist noch nicht zu Ende. Sie können nicht einfach –«
    »Doch, kann ich«, sagte Tu im Hinausgehen. »Wenn Sie unbedingt ein Arschloch brauchen, das Sie unter Generalverdacht stellen können, nehmen Sie Ihr eigenes.«
     
    Jericho hätte den sonst so gelassenen, souveränen Tu, in dessen Haus noch vor wenigen Tagen die chinesische Polizei ein- und ausgegangen war, gerne gefragt, was sein Temperament derart entfesselt hatte, doch die Zentrifuge der Ermittlungen schleuderte ihn von diesem Gespräch in das nächste. Sein Freund entschwand unter der Obhut einer bemerkenswert fürsorglichen Edda Hoff, der Ermittler vom MI6 zog seiner Wege. Bis zum Eintreffen Jennifer Shaws blieben ihm wenige Sekunden gärenden Unbehagens, zumal Yoyo, Hüterin dunkler Geheimnisse, ostentativ vor sich hin starrte, mit Tu im Elend verschworen.
    »Schätze, du weißt mal wieder mehr als ich«, sagte er.
    Sie nickte stumm.
    »Und es geht mich nichts an.«
    »Das kann ich dir nicht erzählen.« Yoyo wandte ihm den Kopf zu. Ihre Augen schimmerten, als habe Tus Ausbruch neue Risse in den Damm ihrer Selbstbeherrschung getrieben. Allmählich schien es Jericho, die ganze Familie Chen siedele samt ihres vermögenden Mentors am Rande des Nervenzusammenbruchs, in ständiger Gefahr, unter dem Druck traumatischer Blähungen zu bersten. Was immer es war, das sie beschäftigte, es begann ihm auf die Nerven zu gehen.
    »Verstehe«, brummte er.
    Und tatsächlich verstand er. Das Phänomen der angenagelten Zunge, selbst wenn man reden wollte, war ihm allzu geläufig. Schweigend betrachtete er seine Finger, die rissig waren, mit schartigen Nägeln und wuchernder Nagelhaut. Irgendwie unattraktiv. Er war ein sauberer Mann, aber nicht gepflegt. Zitat Joanna. Bislang hatte er zwischen beidem keinen Unterschied erkennen können, doch in diesem Moment hätte er sich selbst nicht die Hand geben mögen. Er ging lieblos mit sich um. Yoyo liebte sich nicht, Chen nicht, und Tu, der Fels, auf dem alle Egozentrik zu gründen schien, auf bestürzende Weise auch nicht. Gab es überhaupt noch Köpfe, in denen die Vergangenheit nicht vor sich hin schimmelte?
    Jennifer Shaw betrat den Raum.
    »Ich hörte, Sie haben keine Lust mehr auf Konversation.«
    »Falsch.« Yoyo wischte sich über die Augen. »Wir haben keine Lust mehr, dass Leute, die unsere Geschichte nicht kennen, ihren Elefantenarsch in unsere Gemütslage pflanzen.«
    »Der SIS hat seine Bestandsaufnahme abgeschlossen.« Shaw verteilte dünne Stapel Papier. »Sie sind glaubwürdig, alle drei.«
    »Oh, danke.«
    »Eigentlich könnten Sie sich ihrem Freund Tian zugesellen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, das meine ich ernst!« Ihre blaugrauen Augen sagten genau das, und noch eine Kleinigkeit mehr.
    »Aber?«
    »Ich wäre Ihnen noch dankbarer, wenn Sie uns weiterhin bei der Aufklärung unterstützen würden.«
    »Wir sind froh, wenn Sie uns mitmachen lassen«, sagte Jericho.
    »Dann wäre das zur gegenseitigen Zufriedenheit geklärt, nehme ich an.« Shaw setzte sich. »Sie sind vertraut mit der verschlüsselten Botschaft, über deren fehlende Teile Sie in den vergangenen Tagen ausgiebiger spekulieren konnten als wir, hatten Kontakt zu Kenny Xin, wissen um Pekings Verwicklung in afrikanische Umstürze,

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