Limit
Runde blickend.
»Ja.« Lawrence folgte der Kallisto mit Blicken, bis sie jenseits des Fensters verschwand. »Plus die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen ein schmutziges Spiel mit uns spielt. Was meinen Sie, Lynn? Nehmen wir sie in Empfang?«
Mit einiger Erleichterung registrierte Tim, dass Lawrence wieder auf den Vornamen umgestiegen war. Ein Friedensangebot? Oder bloße Taktik, um Lynn in Sicherheit zu wiegen? Er bezweifelte nicht, dass die Hoteldirektorin seine Schwester unverändert der Konspiration verdächtigte, doch Lynn entspannte sich zusehends.
»Kein Wort zu den Gästen«, sagte sie.
»In Ordnung«, nickte Lawrence. »Fürs Erste. Aber wenn alle da sind, müssen wir Nägel mit Köpfen machen. Entweder, Hanna und Konsorten schaffen Klarheit, oder wir informieren die Basis und evakuieren den Laden.«
»Das sehen wir dann.«
»Wir geben der Ganymed eine weitere Stunde.«
»Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass die Ganymed eine weitere Stunde braucht?«
Lynn hat tatsächlich jeden Sinn für die Realität verloren, dachte Tim. Oder sie spielt das schmutzige Spiel.
Error! Gedanke nicht zulässig.
»Wie auch immer«, sagte Lawrence. »Gehen wir.«
CALGARY-VANCOUVER, KANADA
»Glaub mir, ich hab das Netz regelrecht ausgewrungen«, sagte der Praktikant. »Mehr als gestern Abend kann ich dir nicht bieten.«
Die Boeing 737 der Westjet Airlines sackte in ein Luftloch. Einhundert Milliliter Orangensaft dräuten aus dem Portionsbecher im Moment, als Keowa die Stanniolhaube abzog, spritzten auf ihre Jacke und durchweichten ihr Croissant.
»Mist!«, fluchte sie.
»Gudmundssons Zeit bei der APS –«
»Scheiße! So eine Scheiße!« Saft tropfte vom Tablett in ihren Schoß. »Wer war noch mal die APS?«
»African Protection Services.«
»Ach, richtig.«
»Also, Gudmundssons Zeit bei der APS geht dieser Aufenthalt bei Mamba voraus, der anderen Sicherheitsfirma, die Anfang des Jahrtausends in Kenia und Nigeria unterwegs war und 2010 mit einem ähnlich gearteten Haufen namens Armed African Services zur APS verschmolz. Dort leitete Gudmundsson verschiedene Teams –«
»Das hast du mir gestern schon erzählt«, sagte Keowa, bemüht, ihre winzige Papierserviette ökonomisch einzusetzen.
»– und war an Operationen in Gabun und Äquatorialguinea beteiligt. Isst du das noch?«
»Was?«
»Das Croissant. Sieht übel aus, wenn du mich fragst.«
Keowa warf einen Blick auf das triefende Gebäck. Vorher war es nur labberig gewesen, jetzt war es labberig und nass.
»Auf keinen Fall.«
Der Praktikant langte herüber und schob sich die Hälfte in den Mund.
»Hier und da finden sich Hinweise, APS hätte geholfen, irgend so einen Buschdiktator an die Macht zu putschen«, sagte er kauend. »Wurde von APS immer dementiert, scheint aber was dran zu sein. Gudmundsson könnte also an einem Umsturz beteiligt gewesen sein, bevor er die Firma verließ, um auf eigene Faust zu arbeiten. Diese APS nun wurde von einem gewissen Jan Kees Vogelaar geleitet, der auch Chef bei Mamba war. Vogelaar ist dann übrigens in Äquatorialguinea Mitglied der Regierung geworden, das ist da, wo der Putsch stattgefu –«
»Vergiss es.«
»Du wolltest, dass ich Gudmundssons Hintergrund durchleuchte«, sagte der Praktikant beleidigt.
»Ja, seinen, nicht den von irgendeinem Vogelhaar oder wie der heißt.« Sie tupfte Orangensaft von ihren Hosenbeinen. »Gibt es denn gar nichts darüber, was er vor drei Jahren getan hat, ob er zum Beispiel in Peru war oder so? Ich denke, bei Eagle Eye sind alle so mitteilsam.«
»Geduld, Pocahontas. Ich arbeite dran.«
Keowa schaute aus dem Fenster. Der Flug führte über die Rocky Mountains. Kurz, aber turbulent. Die Boeing erzitterte. Schnell trank sie den verbliebenen Saft aus und sagte:
»Ich will Susan möglichst viele Fakten unter die Nase halten, verstehst du? Sie muss kapieren, dass wir aus der Sache nicht mehr rauskönnen. Dass wir ganz dicht dran sind.«
»Hmja.« Die zweite Hälfte des Croissants wurde der ersten hinzugesellt. »Falls Ruiz wirklich was mit Palstein zu tun hat. Noch hast du nur eine Vermutung.«
»Ich hab meinen Instinkt.«
»Indianerquark.«
»Wart's ab. Kannst du übrigens aufhören mit quasseln, bis du runtergeschluckt hast? Das Zeug wird in deiner Mundhöhle nicht schöner.«
»Oh, Mann«, seufzte der Praktikant. »Du hast echt Probleme.«
Keowa schaute wieder hinaus. Tief unter ihr zog der furchige Rücken der Rockys hindurch. Der Praktikant hatte es zwar
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