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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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beiden Seiten. Keowa stellte fest, dass der Gurt aus seiner Halterung gerissen war, und umklammerte den Rand der Windschutzscheibe.
    Mein Gott, dachte sie. Was wollen die von uns?
    Merkwürdigerweise kam ihr nicht in den Sinn, der Angriff könne etwas mit Palstein, Ruiz und der ganzen Geschichte zu tun haben. Eher dachte sie an gemeingefährliche Jugendliche, an Straßenräuber oder jemanden, der so was aus purem Spaß machte, der komplett irre sein musste. Sie schaute hinter sich. Schlaglöcher, Wald, sonst nichts. Einen Moment lang nährte sie den zarten Trieb der Hoffnung, Sid habe den Verfolger mit seinem Manöver abgehängt, dann tauchte er wieder hinter ihnen auf und schob sich unerbittlich näher heran.
    Ein schleifendes Geräusch drang aus dem Motorraum des Thunderbird. Die Maschine stotterte.
    »Schneller!«, schrie sie.
    »Ich fahr, so schnell es geht«, schrie Sid zurück. Stattdessen verloren sie an Geschwindigkeit, wurden zusehends langsamer.
    »Das muss schneller gehen!«
    »Ich weiß aber nicht, was los ist.« Sid ließ das Steuer los und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Irgendwas ist in den Arsch gegangen, keine Ahnung.«
    »Hände ans Lenkrad!«
    »Ach du Schande«, stöhnte der Praktikant und tauchte ab. Die massige, dunkle Front des Geländewagens dröhnte heran und krachte von hinten in sie hinein. Der Thunderbird tat einen Satz. Keowa wurde nach vorne geschleudert und stieß sich den Schädel.
    »Komm schon!«, flehte Sid den Wagen an. »Komm!«
    Ein weiteres Mal donnerte der SUV gegen ihr Heck. Der Thunderbird entließ ungesunde Geräusche, dann war der Angreifer plötzlich neben ihnen und schob sie gemächlich beiseite. Sid fluchte, lenkte wie verrückt gegen, gab Gas, bremste –
    Verlor die Kontrolle.
    Der Moment des Abhebens brachte den ganz und gar bemerkenswerten Effekt mit sich, dass im selben Moment jedes Geräusch, und zwar nicht nur das der Reifen auf dem Schotter der Fahrbahn, sondern auch das des Motors, das des Geländewagens, überhaupt jeder Laut zu ersterben schien, bis auf den einzelnen, perlenden Ruf eines Vogels. In friedvoller Stille überschlugen sie sich, vorübergehend wuchsen die Bäume aus dem Himmel zu ihnen herab, sprenkelten bauchige Wölkchen ein endloses, blaues Meer in unermesslicher Tiefe, dann Perspektivwechsel, der Wald legte sich schräg, es krachte und schepperte, und alles war wieder da, die ganze, grauenvolle Kakofonie des Crashs. Keowa wurde aus ihrem Sitz getragen. Rudernd segelte sie durch die Luft, während unter ihr der Thunderbird die Böschung herabschlitterte, das Fahrwerk ihr zugewandt, mit rotierenden Reifen, ein Tier, das sich in Büsche und Blattwerk fraß. Immer noch fliegend gewahrte sie, wie sich das Wrack abrupt aufstellte und zur Ruhe kam, dann näherte sich rasend schnell ein Stück Wiese.
    Sie hatte keine Ahnung, was genau sie sich brach, als sie aufschlug, aber gemessen am Schmerz musste der Schaden beträchtlich sein. Mehrfach wurde ihr Körper herumgeschleudert, auf den Rücken, auf den Bauch, auf die Seite. Was noch nicht gebrochen war, brach jetzt. Endlich, nach einer Ewigkeit, wie ihr schien, blieb sie mit ausgestreckten Gliedmaßen liegen, Blut in den Augen, Blut im Mund.
    Ihr erster Gedanke war, dass sie immer noch lebte.
    Ihr zweiter, dass nicht allzu weit entfernt ihr Handy in der Sonne blitzte. Auf einem flachen Stein funkelte es wie ein Ausstellungsstück, genau in der Mitte, beinahe liebevoll dort platziert. Weiter abwärts hing der zertrümmerte Thunderbird im Spalier geschundener Bäume, übersät von Ästchen, Borke und Blättern, und in dem Wagen, eigentlich mehr aus ihm heraus, baumelte Sid mit halb von den Schultern gerissenem Kopf und glotzte sie an.
    Reifen näherten sich über Schotter und Gras.
    »Loreena?«
    Der Ruf drang dünn und klagend zu ihr herüber. Sie hob die Augen und sah den Praktikanten im Schatten einer Fichte liegen. Er versuchte sich hochzustemmen, knickte ein, probierte es wieder. Der Wagen hielt. Jemand kam die Böschung herab, in langen, nicht besonders eiligen Schritten. Ein Mann. Hochgewachsen, dunkle Hose, weißes Hemd, Sonnenbrille. In der Rechten hielt er lässig eine Pistole mit langem Lauf.
    »Bin gleich bei Ihnen«, sagte er. »Einen Moment.«
    Schalldämpfer, schoss es ihr durch den Kopf.
    Er lächelte, ein wenig geschäftsmäßig, während er an ihr vorbeiging, trat neben den Praktikanten und schoss dreimal auf ihn, bis sich der Junge nicht mehr rührte. Es machte plopp,

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