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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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plopp, plopp. Keowa öffnete den Mund, weil ihr nach Schreien, nach Aufheulen, nach Um-Hilfe-Rufen war, doch nur ein verebbender Seufzer entrang sich ihrer malträtierten Brust. Jeder Atemzug war eine Tortur. Unter Mühen zog sie sich vorwärts, stemmte die Ellbogen ins Gras, robbte zu dem Stein mit dem Handy.
    Der Mann kam zurück, nahm es und steckte es ein.
    Sie gab auf. Rollte sich auf den Rücken, blinzelte in die Sonne und dachte, wie recht Palstein gehabt hatte. Wie nahe sie dran gewesen waren, wie verdammt nahe! Lars Gudmundssons Oberkörper und Kopf gerieten in ihr Blickfeld, die Mündung seiner Pistole.
    »Sie sind sehr klug«, sagte er. »Eine sehr kluge Frau.«
    »Ich weiß«, ächzte Keowa.
    »Es tut mir leid.«
    »Ist alles – alles schon im Netz«, quetschte sie hervor. »Alles schon –«
    »Wir werden das überprüfen«, sagte er freundlich und drückte ab.
     

GAIA, VALLIS ALPINA, MOND
     
    Nina Hedegaard versuchte, tausend Vögel zu fangen, während sie in der finnischen Sauna im Zustand wachsender Frustration vor sich hin transpirierte. Überall sah sie das gespreizte Gefieder des Wohlstands, vernahm zwitschernden Austausch über Nest und Brut, stellte sich jenes sorglose, geborgene Dösen vor, wie nur Julians Welt es verhieß. Tausend wunderbare, wild umherflatternde Gedanken. Doch Julian war nicht da, und die Vögel wollten sich partout nicht ins Gehege ihrer Lebensplanung locken lassen. Wann immer sie dachte, wenigstens den Spatz in Händen zu halten, nachdem Julian etwas halbwegs verbindlich Klingendes in ihr Ohr gemurmelt hatte, entwischte auch diese kleine Hoffnung und gesellte sich zu all den anderen in greifbarer Nähe und zugleich unerreichbarer Ferne lockenden Vorstellungen ihrer entzündeten Fantasie. Mittlerweile hegte sie ernsthafte Zweifel an Julians Aufrichtigkeit. Als ob er nicht ganz genau wusste, dass sie sich Hoffnungen machte. Warum konnte er sich nicht offen zu ihr bekennen? Hatte er etwa Ehebruch zu drapieren, gesellschaftlicher Ächtung entgegenzuwirken? Nichts davon, er war Single, ein gut aussehender, liebenswerter Single, so wie auch sie ein gut aussehender und liebenswerter Single war, nur eben nicht reich, aber reich war er selbst, wo also lag das Problem?
    Ihr Frust drang dick und tauartig aus allen Poren, sammelte sich auf Oberarmen, Brüsten und Bauch. Zornig verteilte sie Schicht um Schicht warmen Schweißes, ließ ihre Hände über die Innenseiten ihrer Oberschenkel kreisen, die Finger langsam zur Mitte hin arbeiten, in den Leisten Stellung beziehen, zuckende, kaum zu bändigende, keinen Stolz kennende Lustgriffel. Entsetzlich! Einhergehend mit ihrer Wut stellte sich das erniedrigende Verlangen ein, den Abwesenden geistig entstehen zu lassen und dabei – doch das kam natürlich überhaupt nicht infrage, auf gar keinen Fall!
    Julian, um es mal auf den Punkt zu bringen, wollte sie einfach nur ficken. Das war es. Er fühlte nichts, er liebte nicht. Er wollte einfach nur eine nette, kleine, dänische Astronautin ficken, wenn ihm danach war. So wie er die ganze Welt fickte, wenn ihm danach war.
    Blöder Idiot!
    Gewaltsam riss sie die Hände weg, presste sie auf den Rand der Holzbank neben ihren Hüften und schaute hinaus auf das Wunder der Schlucht mit ihren pastellenen Flächen und kompromisslosen Schatten. Abertausend starr leuchtende Sterne schienen ihr mit einem Mal erreichbarer als das Leben, das sie gerne an seiner Seite geführt hätte. Es ging ihr nicht um sein Geld, also nicht wirklich ums Geld, auch wenn sie es nicht unbedingt verschmähte. Nein, sie wollte einen Platz in diesem vor Visionen wuchernden Hirn, das Weltraumfahrstühle ersann, wollte Julians persönlicher Geniestreich sein, seine brillanteste Idee, und als solche von der Welt wahrgenommen werden, als die Frau, die er begehrte. Das hatte sie sich nicht einfach ervögelt. Das hatte sie sich verdient!
    Ihm solche Dinge zu sagen, darum saß sie hier. Natürlich ohne Druck erzeugen zu wollen. Nur ein bisschen homöopathisch verabreichte Zukunftsplanung, verbunden mit der, wie sie fand, hinreißend attraktiven Option eines Liebesakts in der Sauna, gleich nach Eintreffen der Ganymed. So hatten sie es vereinbart, und Julian hatte versprochen, sich unverzüglich zu ihr zu gesellen, doch jetzt war es Viertel vor acht, und auf Nachfrage musste sie sich von einer überzeugungsschwach klingenden Lynn das Märchen auftischen lassen, die Gruppe habe im Banne des Schröter-Tals die Zeit vergessen und werde

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