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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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elektrischen Entladungen ist, in dem keine Flugzeuge verkehren und der Himmel überwiegend klar ist. Solche Plätze finden sich vor allem im Pazifik. Einer liegt 550 Kilometer westlich von Ecuador und ist der Ort, an dem wir uns befinden – die Isla de las Estrellas!«
    Plötzlich stand Julian auf der Aussichtsterrasse des Stellar Island Hotels. Weit draußen sah man die schwimmende Plattform und die beiden Seile, die sich aus dem Inneren des Weltraumbahnhofs ins endlose Blau erstreckten.
    »Wie Sie sehen, haben wir nicht einen, sondern zwei Fahrstühle gebaut. Zwei Seile spannen sich parallel in den Orbit. Doch noch vor wenigen Jahren schien es zweifelhaft, ob wir diesen Anblick je erleben würden. Ohne die Forschungsarbeit von Orley Enterprises hätte die Lösung wohl weitere Jahrzehnte auf sich warten lassen, und alles, was Sie hier sehen –«, Julian breitete die Arme aus, »– gäbe es nicht.«
    Die Illusion verschwand. Julian schwebte in biblischer Schwärze.
    »Das Problem war, ein Material zu finden, aus dem sich ein 35.786 Kilometer langes Seil weben ließ. Es musste ultraleicht sein und zugleich ultrastabil. Stahl kam dafür nicht in Frage. Alleine unter seinem Eigengewicht würde selbst das leistungsfähigste Stahlseil nach 30 bis 40 Kilometern reißen. Alle möglichen Kunststofffasern wurden in Betracht gezogen und wieder verworfen. Man träumte von Spinnenseide, immerhin ist sie viermal belastbarer als Stahl, aber auch das hätte dem Seil nicht die erforderliche Zugfestigkeit verliehen, ganz davon zu schweigen, dass man für 35.786 Kilometer verdammt viele Spinnen braucht. Frustrierend! Die Ankerstation, die Raumstation, die Kabinen, alles schien machbar. Nur am Seil drohte das Konzept zu scheitern – bis Anfang des Jahrtausends ein revolutionäres, neues Material bekannt wurde: Kohlenstoffnanoröhren.«
    Eine leuchtende, dreidimensionale Gitterstruktur begann sich im Schwarz zu drehen. In ihrer Schlauchform erinnerte sie entfernt an eine Reuse, wie man sie zum Fischfang benutzte.
    »Dieses Gebilde ist in Wirklichkeit einige 10.000 Male dünner als ein menschliches Haar. Eine winzige Röhre, gebaut aus Kohlenstoffatomen in wabenartiger Anordnung. Die kleinsten solcher Röhren messen weniger als einen Nanometer im Durchmesser. Ihre Dichte ist sechs Mal geringer als Stahl, was sie sehr leicht macht, gleichzeitig verfügen sie über eine Zugfestigkeit von rund 45 Gigapascal, wogegen sich Stahl mit 2 Gigapascal ausnimmt wie bröckelnder Keks. Mit den Jahren gelang es, die Röhrchen zu bündeln und Fäden daraus zu spinnen. Forscher in Cambridge erzeugten 2004 einen 100 Meter langen Faden. Dennoch schien fraglich, ob sich derartige Fäden zu größeren Strukturen verweben ließen, zumal Experimente zeigten, dass die Reißfestigkeit des Fadens gegenüber einzelnen Röhren dramatisch abnahm. Eine Art Webfehler schlich sich ein, hervorgerufen durch fehlende Kohlenstoffatome, außerdem ist Kohlenstoff der Oxidation unterworfen. Er erodiert, die Fäden brauchten also eine Beschichtung.«
    Julian machte eine Pause.
    »Viele Jahre hat Orley Enterprises in die Frage investiert, wie sich dieser Fehler beheben ließe. 2012 gelang uns der Durchbruch. Nicht nur konnten wir die fehlenden Atome ersetzen, es gelang uns zudem, die Zugfestigkeit der Seile durch Querverbindungen auf 65 Gigapascal heraufzusetzen! Wir fanden Möglichkeiten, sie zu beschichten und gegen Meteoriten, Weltraumschrott, Eigenschwingungen und die zersetzende Wirkung atomaren Sauerstoffs zu sichern. Bei einer Breite von eben mal einem Meter sind sie flacher als ein menschliches Haar, weswegen sie zu verschwinden scheinen, wenn man sie von der Seite betrachtet. In 143.000 Kilometer Entfernung, wo sie enden, haben wir sie an einen kleinen Asteroiden gekoppelt, der als Gegengewicht fungiert. Künftig werden wir auf dieser Strecke Raumschiffe in einer Weise beschleunigen, dass sie ohne nennenswerten energetischen Aufwand zum Mars oder darüber hinaus fliegen können.« Er lächelte. »Im geostationären Orbit aber haben wir eine Raumstation gebaut, wie es sie nie zuvor gegeben hat: die OSS, die Orley Space Station, binnen dreier Stunden mit dem Weltraumfahrstuhl erreichbar, Forschungsstation, Weltraumbahnhof und Werft! Sämtliche bemannten und unbemannten Transferflüge starten von dort zum Mond. Wiederum gelangt komprimiertes Helium-3 aus den lunaren Förderstellen zur OSS, wird in den Weltraumaufzug verladen und zur Erde geschickt, sodass die Vision,

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