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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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wie clever man sich auch halten mochte. Wie viel schwerer war es, die Kontrolle über sich zu erlangen, als sie anderen zu entziehen. Pläne waren Konstrukte, gedachte Geraden. Am grünen Tisch funktionierten sie ausgezeichnet. In der Praxis ging es darum, auf den Serpentinen des Zufalls nicht aus der Kurve zu fliegen, das alles wusste er, wozu also regte er sich auf?
    Gut, schlimmstes angenommenes Szenario: Bis auf Omura waren alle anderen durchgekommen. Er glaubte sich zu erinnern, den Rover der Japanerin in einem Crash gesehen zu haben, doch gesetzt den Fall, sie hatten ihn wieder auf die Räder wuchten können, verfügten sie nach wie vor über zwei Fahrzeuge. Er hingegen war zu Fuß unterwegs, seiner Explosivgeschosse beraubt. Status: bedenklich!
    Vorsichtig bewegte er den Arm, streckte ihn, winkelte ihn an. Nicht gebrochen, nicht ausgekugelt. Möglich, dass er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Darüber hinaus ging es ihm gut, außerdem verfügte er immer noch über die zweite Pistole mit den konventionellen Geschossen, die zwar kleinere Löcher machten, aber nicht weniger tödliche.
    In welche Richtung war er gelaufen? Seine kopflose Flucht hatte ihn auf unberührtes Terrain verschlagen. Was schlecht war. Ohne Käferspuren konnte es geschehen, dass er die Station verfehlte. Seine eigene Spur zog sich deutlich sichtbar über den noch nicht prozessierten Untergrund dahin, bislang war allerdings kein Rover aufgetaucht. Möglicherweise suchten sie nach Omura, doch konnten sie ihretwegen riskieren, ihn laufen zu lassen? Sofern sie wirklich über die beiden Rovers verfügten, hätte nicht längst einer von ihnen die Verfolgung aufgenommen?
    Vielleicht stand es ja gar nicht so schlecht. Gestärkt von Zuversicht, ging er daran, seine Position zu bestimmen.
     
    Der Reihe nach rappelten sie sich hoch, tapsig, verwirrt, die weißen Monturen verschmutzt, dem Grab Entstiegene. Ringsum sah es aus wie nach einem Bombenangriff oder einer Naturkatastrophe. Der Buckel der Fördermaschine, eben noch in den Himmel aufragend, nunmehr ein Massiv im Regolith. Die zerknickten Spinnenglieder des Laderoboters. Ihr zerschmetterter Rover. Über allem ein Gespenst aus waberndem Staub.
    »Momoka?«
    Unablässig riefen sie ihren Namen, irrten suchend umher, doch weder erhielten sie Antwort noch fanden sie die geringste Spur von ihr. Omura schien vom Staub verschluckt, und plötzlich hatte Chambers die anderen aus den Augen verloren. Sie blieb stehen. Erschauderte, von etwas Kaltem im Innersten berührt. Der Staub um sie herum bauschte sich, seltsam belebt, bildete eine Art Tunnel, jenseits dessen seine Beschaffenheit anders wirkte, dunkler, bedrohlicher und zugleich einladender, und mit einem Mal war es Chambers, als sähe sie sich in dem Tunnel verschwinden, und mit jedem Schritt, den sie sich von sich selbst entfernte, verwirbelten ihre Umrisse zur Unkenntlichkeit, bis sie sich verlor und ungewisse Zeit später an der Seite der anderen wiederfand.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Julian sorgenvoll. »Wir haben dich die ganze Zeit gerufen.«
    Wo war sie gewesen? An einer Grenze, der Grenze zum Vergessen. Einen flüchtigen Blick hatte sie in die Schatten getan, zumindest war es ihr vorgekommen, als zerre und sauge etwas an ihr und versuche sie mit dunklen Verlockungen zur Aufgabe zu bewegen. Sie wusste um das Irrationale der Empfindung. Grenzerfahrungen waren mehr als einmal Gegenstand esoterischer Debatten in ihren Sendungen gewesen, ohne dass sie selbst einer Vorstellung vom Jenseits anhing, doch im Moment, da Amber, Oleg und Julian wieder an ihrer Seite auftauchten, wusste sie, dass Momoka Omura tot war. Die Stille, die ihren Rufen entgegenschlug, war die Stille des Todes. Alles, was sie fanden, waren Spuren, die vom Kopf des Käfers wegführten und nur von Hanna stammen konnten.
    Doch die Japanerin blieb verschwunden.
    Im Folgenden verlor Chambers kein Wort über ihr sonderbares Erlebnis. Nach kurzer Zeit gaben sie die Suche auf und kehrten zum Rover zurück. Er war nicht mehr zu gebrauchen, aber wenigstens gelang es ihnen, die Sauerstoffvorräte zu bergen. Erstmals, seit sie Hanna auf den Fersen waren, schien seine Fährte sie in die Irre zu führen.
    Sie erwogen ihre Optionen.
    Schließlich beschlossen sie, ihm weiter zu folgen.
     

31. MAI 2025
    [MINI-NUKE]
    KALLISTO
     
    O'Keefe schloss die Augen. Er war kein Feigling. Schon gar nicht ängstigte ihn die Abwesenheit von Menschen. Bereits vor Jahren hatte er die kühle,

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