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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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machen, die Dinge selber in die Hand zu nehmen. Noch war ihre Tarnung nicht aufgeflogen, und was ihre erklärte Gegnerin betraf, so schien sie kaum mehr eine Vorstellung ihrer selbst zu haben. Alle anderen vertrauten ihr. Sogar Tim, der zunehmend daran verzweifelte, seine Sorge noch gerecht aufzuteilen. Sie galt Amber, sie galt Julian, mehr, als er sich eingestehen mochte, sie galt Lynn und all den anderen im Shuttle und wo immer sie gerade waren, sie galt den Grenzen seiner Leidensfähigkeit, ein einziger Kanon der Angst. Nach nunmehr zwei Stunden Flug mussten sie der Basis ziemlich nahe sein, ohne bislang Kontakt hergestellt zu haben. Lawrence verwies auf das leidige Satellitenproblem, und dass sie Verbindung haben würden, sobald sie in Funkweite gelangten, mit dem Ergebnis, dass sich der Kanon um das Schrecknis einer verödeten und aus irgendwelchen Gründen zerstörten Basis erweiterte. Die Zeit schlich dahin, oder raste sie? Der Mond wies keinerlei Bezugspunkte für menschliche Vorstellungen vom Werden und Vergehen auf, der Zeitbegriff seiner Spezies hatte absurden Bestand nur in der Enklave der Kallisto, während es drum herum gar keine Zeit gab und sie niemals mehr irgendwo ankommen würden.
    Und als der Horror der Vision, genährt durch seine wundgegrübelte Fantasie, ihn zu überwältigen drohte,
     
    brachten drei Worte und ein Gähnen die Erlösung.
    »Tommy Wachowski. Peary-Basis.«
    »Peary-Basis, hier Kallisto. Wir sind im Anflug. Erbitten Landeerlaubnis in etwa zehn Minuten.«
    »Besuch?«, wunderte sich Wachowski verschlafen. »Du lieber Himmel. Wissen Sie, wie spät es ist? Ich hoffe bloß, wir haben sauber gemacht und die Flaschen weggeräumt.«
    »Der Anlass ist nicht lustig«, sagte Hedegaard.
    »Moment.« Augenblicklich änderte sich Wachowskis Tonart. »Landefeld 7. Brauchen Sie Hilfe?«
    »Wir sind okay. Eine Verletzte, nicht lebensgefährlich, eine Person unter Schock.«
    »Warum fliegen Sie nicht zum Gaia?«
    »Da kommen wir her. Es gab einen Brand. Das Gaia ist zerstört, aber es gibt noch andere Gründe, nicht ins Vallis Alpina zurückzukehren.«
    »Um Himmels willen! Was ist denn passiert?«
    »Tommy«, schaltete sich Lawrence ein. »Einzelheiten liefern wir später, in Ordnung? Wir haben vieles zu erzählen und noch mehr zu verarbeiten. Im Augenblick sind wir einfach nur froh, landen zu können.«
    Wachowski schwieg einen Moment.
    »Gut«, sagte er. »Wir bereiten hier alles vor. Bis gleich.«
     

AMERIKANISCHE FÖRDERSTATION,
SINUS IRIDUM
     
    Nach einer knappen Viertelstunde lichtete sich der Staub, gewährte wieder Blicke auf das ferne Mare Imbrium, auf den Höhenzug der Montes Jura – und auf die Förderstation.
    Hanna gönnte sich einen Moment der Rast, bog das Kreuz durch und legte den Kopf in den Nacken. Er war zu weit nordwestlich ausgekommen, doch er hatte es geschafft. Sofern er sein Tempo hielt, würde er binnen Kurzem dort sein. Seine Ahnung, dass die anderen entweder tot oder in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt waren, hatte sich zur Gewissheit verfestigt. Mit einem Rover hätten sie ihn jederzeit einholen können, doch niemand war erschienen.
    Sein Kopf fühlte sich an wie auswattiert, leichter Schwindel und Übelkeit machten ihm zu schaffen. Wieder begann er zu laufen. Eine Viertelstunde später hatte er die Station erreicht. Im Gegensatz zur Peary-Basis war sie komplett überirdisch angelegt: ein großes, regolithbedecktes Iglu, verbunden mit zylindrischen, druckbeaufschlagten Insektoiden, Kugeltankdepots und Hangars, die u-förmig ein Flugfeld rahmten, an das der Hochbahnhof mit seinen Haupt- und Abstellgleisen grenzte. Stiegen und Fahrstühle führten hinauf zu den Gleisen, Frachtzüge dämmerten ihrer nächsten Fahrt entgegen, simple, miteinander verkoppelte Plattformen. Seitlich des Flugfelds warteten zwei Dutzend zur Bewegungslosigkeit erstarrte Spinnen auf das Kommando zum Einsatz. Zwei weitere hatten unmittelbar neben den Gleisen Position bezogen und beluden einen der Züge mit Kugeltanks, eine dritte, voll beladen, war im Anmarsch. Die Anlage schien im Ausbau begriffen, zugleich fiel auf, dass Hangars, Depots und das igluförmige Habitat auf Raupenfahrwerken ruhten. Sobald das Gebiet durchprozessiert war, würde die komplette Station weiterziehen. Obschon dünne Staubschleier über allem hingen, war die Sicht hier weit besser. Hartes, grelles Sonnenlicht wurde von den kristallinen Facetten der Schwebstoffe zurückgeworfen und erzeugte eine

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