Limit
verstärkte sich. Beklommen fuhr er das System wieder hoch, um sich zu autorisieren.
Yoyo beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Niemand hatte mitbekommen, wie sie in sein Büro gehuscht war und ihn ausgeloggt hatte, eine Sache weniger Sekunden. Scheinbar in die Betrachtung eines Wandmonitors versunken, drückte sie die Sendetaste ihres Handys und schickte ein Signal ins Dach.
Jericho ließ Diane den Mitschnitt starten.
In den Prozessoren des Big O rauschte der Datenfluss. Niemand im Gebäude besaß einen eigenen Computer im Sinne eines autarken Rechners. Lediglich eine genormte Hardware stand den Mitarbeitern zur Verfügung, eine tragbare Variante der containerförmigen Lavo-Bots, wie sie bei Tu Technologies zum Einsatz kamen. An jeder beliebigen Schnittstelle konnte man sich durch Eingabe seines Namens, eines achtstelligen Passworts und den Abdruck seines Daumens mit dem Zentralcomputer des Big O verbinden, allerdings waren nicht alle Bereiche für jedermann zugänglich. Selbst die mächtigen Systemadministratoren, die das Superhirn managten und die Passwörter vergaben, hatten keinen Zugriff auf das große Ganze. In der Bildhaftigkeit einer Metropole kumulierte der allgemeine Datenaustausch des Big O zu einer Art Verkehrsgrundrauschen, und natürlich rauschte es während der regulären Arbeitszeiten am meisten.
Diesem Rauschen konnte man zuhören. Nicht im Sinne inhaltlichen Mithörens. Vielmehr war es die in Bits und Bytes verschlüsselte Information, die durchs Netz rauschte. Wer allerdings den exakten Zeitpunkt kannte, an dem eine Information von A nach B geschickt werden sollte, konnte das Sendeintervall mitschneiden und sich der Mühe unterziehen, die individuellen Daten herauszufiltern und mittels leistungsfähiger Decodierprogramme in Wort und Bild zu transferieren. Augenblicklich war wenig los im System, entsprechend einfach war es, Norringtons Datenfluss zu isolieren im Moment, als er sich einloggte, und Diane begann zu rechnen.
Nach sechs Minuten kannte sie den achtstelligen Code. Weitere drei Minuten reichten ihr zur Entschlüsselung der Software, die Norringtons Scan ans Rechenzentrum weitergeleitet hatte, womit sie im Besitz seines Daumenabdrucks war.
Jericho starrte auf die Fundstücke. Jetzt gab es nur noch eine Hürde zu überwinden. War man im Netz angemeldet, konnte man sich kein weiteres Mal mit denselben persönlichen Daten einloggen, ohne aufzufallen, ebenso wenig, wie man an seiner eigenen Haustür schellen konnte, wenn man bereits im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß.
Sie mussten Norrington noch einmal aus dem Netz werfen.
Die Gelegenheit bot sich schon wenig später. Norrington wurde zum Pow Wow beordert, doch trieb er sich auffällig lange im Bereich der Arbeitsinseln herum, von wo aus er sein Büro im Visier hatte. Edda Hoff redete auf ihn ein. Erst nach längerem Hin und Her gab er seine Beobachterposition auf und verschwand in dem Zimmer, nicht ohne einen letzten, misstrauischen Blick hinter sich geworfen zu haben.
Jericho lächelte ihm zu.
Er und Yoyo hatten die Plätze getauscht. Eine der Grundregeln der Überwachung lautete, den Observierten nicht ständig dasselbe Gesicht sehen zu lassen. Nun war sie es, die oben auf sein Signal wartete. Die Tür zum Konferenzraum fiel ins Schloss. Ohne Eile begab sich Jericho zu Norringtons Büro, als die Tür sich wieder öffnete und Shaw daraus zum Vorschein kam.
»Owen«, rief sie.
Er stoppte. Seine Entfernung zu Norringtons Büro mochte zehn, zwölf Schritte betragen. Noch konnte er überallhin unterwegs sein.
»Ich denke, Sie sollten an unserem Gespräch teilnehmen. Wir haben weitere Daten aus Vogelaars Dossier ausgewertet, Material, das Ihren Freund Xin und die Zheng Group betrifft.« Sie ließ den Blick schweifen. »Bei der Gelegenheit, wo sind eigentlich Ihre Freunde?«
Jericho kam zu ihr herüber.
»Yoyo ist Vic Thorn auf den Fersen.«
Ihre bärbeißige Miene verzog sich zu einem Lächeln. »Vielleicht sind Sie ja schneller mit Ihren Ermittlungen als der MI6. Und Tu Tian?«
»Wir haben ihm freigegeben. Er geht seinen Geschäften nach.«
»Löblich. Der Herr bewahre uns vor einer chinesischen Wirtschaftskrise. Es reicht, was uns die Amerikaner damals eingebrockt haben. Kommen Sie?«
»Sofort. Geben Sie mir eine Minute.«
Shaw verzog sich wieder ins Innere, ohne die Türe ganz zu schließen. Gelassenen Schrittes wanderte Jericho zurück zu Norringtons Büro. Von einer der Arbeitsinseln schaute jemand zu ihm
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