Limit
anderen, Tu Tian oder Chen Yuyun, hockte in diesen Minuten vor dem Computer, den Jericho idiotischerweise Diane nannte. Das Mädchen wahrscheinlich. War sie nicht vorhin durch die Zentrale gestreunt, als hätte sie nichts Besseres zu tun?
Yoyo. Er musste sie loswerden.
»Andrew?«
Er schreckte hoch. Edda Hoff. Blass und ausdruckslos unter ihrem lackschwarzen Pagenschnitt. Ausdruckslos, wirklich? Oder funkelte da die Häme der Fallenstellerin in ihren Augen?
»Jennifer braucht Sie dringend für den weiteren Verlauf der Sitzung.« Sie zog die Brauen ein winziges Stück zusammen. »Alles okay? Ist Ihnen nicht gut?«
»Der Magen.« Norrington erhob sich. »Geht schon.«
Seine Rückkehr an den Konferenztisch brachte in Jericho einen Alarm zum Erklingen. Die Gesichtsfarbe des Mannes changierte ins gallenkrank Gelbe, die Brauen ein einziger, lastender Sorgenbalken. Unverkennbar wusste Norrington Bescheid, doch statt einen anklagenden Finger zu heben und ihn zur Stellungnahme zu nötigen, nahm er stumm leidend Platz. Wenn es noch eines Beweises seiner Unredlichkeit bedurft hatte, dann lieferte Norrington ihn mit seinem Verhalten gerade selber.
»Ich müsste womöglich gleich wieder –«, begann er, als auf der Videowand andere Leute erschienen und der Xin-Fraktion kurzerhand das Wort abschnitten
»Miss Shaw, Andrew, Tom –« Einer der Neuankömmlinge hielt eine dünne Kladde in die Höhe. »Das hier dürfte Sie interessieren.«
»Worum geht's?«, fragte Shaw.
»Um Julian Orleys guten Freund Carl Hanna. Kanadischer Investor, fünfzehn Milliarden schwer, richtig?«
»So hat er sich verkauft«, nickte Norrington.
»Und Sie hatten ihn überprüft?«
»Das wissen Sie doch.«
»Nun, jedem unterlaufen Fehler. Wir haben ein bisschen herumgefragt. Am Ende war es die CIA, die aus der Ahnenforschung plauderte.«
Erwartungsvolles Schweigen.
»Tja.« Der Mann lächelte in die Runde. »Hat jemand Lust, den Kerl besser kennenzulernen? Wohlgemerkt jemanden, den Ihre Abteilung als vertrauenswürdig genug eingestuft hat, um ihn mit Julian Orley auf Reisen gehen zu lassen.«
»Spannend, wie Sie das aufbauen.« Shaw lächelte haarfein zurück. »Meinen Sie, wir müssen noch mit einer Werbepause rechnen, oder kommen Sie gleich zur Sache?«
Der Agent legte die Kladde vor sich hin.
»Ab sofort dürfen Sie ihn Neil Gabriel nennen. Amerikaner, Jahrgang 1981, geboren in Baltimore, Maryland. High School, US-Navy, danach Karriere bei der Polizei als Spezialist für verdeckte Ermittlungen. Zieht das Wohlgefallen der CIA auf sich, lässt sich abwerben und wird für eine Operation nach Neu-Delhi geschickt, wo er so gute Arbeit leistet, dass er gleich mehrere Jahre dort bleibt und sich zum Experten für die Region entwickelt, allerdings Tendenzen zum Alleingang erkennen lässt. Hinsichtlich Indiens hat er also die Wahrheit gesagt, aber das war's auch schon. 2016 verlässt er die Streiter für das Aufrechte und heuert bei African Protection Services an.
»Hanna war bei der APS?«, entfuhr es Jericho.
Der Mann blätterte. »Vogelaar nennt so ziemlich alle Namen in seinem Dossier, die 2017 Mayés Machtübernahme exekutierten. Darunter findet sich auch ein gewisser Neil Gabriel, der aber nur kurz bei der Truppe war und sich danach selbstständig machte. Wie es aussieht, hat er auch Aufträge vom Zhong Chan Er Bu entgegengenommen, Vogelaar meint jedenfalls, Xin habe großen Gefallen an ihm gefunden. Nach Rücksprache mit unseren amerikanischen Freunden wissen wir nun, wer dieser Neil Gabriel ist. Offenbar hat damals so etwas wie eine Spaltung der APS stattgefunden. Ein Teil hielt Vogelaar die Treue, einige andere entwickelten sich zu Satelliten Kenny Xins.«
Jericho hörte fasziniert zu, während er Norrington im Auge behielt. Der Stellvertretende Sicherheitsbeauftragte verelendete sichtlich unter dem Ansturm der Fakten.
»Augenblicklich versuchen wir, Hannas, pardon, Gabriels falsche Vita zu zerpflücken. In der Hoffnung, dabei auf die Leute zu stoßen, die ihm etwa seine Beteiligungen bei LIGHTYEARS und Quantime Inc. eingerichtet haben. Leute mit viel Geld. Was bei Weitem nicht so leicht sein wird, wie seine Identität zu knacken.«
»Einen dieser Leute kennen Sie schon«, sagte Jericho. »Xin.«
Der Agent wandte ihm den Kopf zu. »Wir hegen wenig Hoffnung, dass er bei uns vorstellig wird. Scheint sich in Luft aufzulösen, wann immer man glaubt, ihn eingekreist zu haben.«
»Es war leicht, Hannas Identität zu knacken?«,
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