Limit
Raumfahrt einstellen?«
»Du weißt genau, dass ich nicht so denke«, murrte Nair. »Ich frage mich einfach nur, ob ein Investment sinnvoll ist.«
»Das tue ich auch.«
»Und?«
Rogaschow wies auf den Computerbildschirm. »Ich hab's ausgerechnet. Rund 600.000 Tonnen Helium-3 lagern auf dem Mond, das Zehnfache der potenziellen Energieausbeute aller irdischen Öl-, Gas- und Kohlevorkommen zusammengenommen. Vielleicht sogar mehr, weil die Konzentration des Isotops auf der Rückseite höher sein dürfte als im Erdschatten. Fünf Meter Regolithschicht gelten als gesättigt, interessant sind die oberen zwei bis drei Meter, das entspricht exakt der Tiefe, die von den Käfern umgegraben wird.« Rogaschow tippte auf seinen Computer. »Den Transport zur Erde außer Acht gelassen, rechnet sich die Energiebilanz wie folgt: ein Gramm Regolith gleich 1750 Joule. Einiges davon geht bei der Erhitzung und Weiterverarbeitung verloren, bleiben, sagen wir, 1500 Joule. Das entspricht einem Areal von 10.000 Quadratkilometern, das jährlich umgegraben und prozessiert werden müsste, um den aktuellen Energiebedarf der Erde zu decken. Ein Tausendstel der Mondoberfläche. Was die Produktionsleistung angeht, arbeiten Käfer mit Sonnenlicht, sind also das halbe Jahr ohne Energie, sprich, man bräuchte doppelt so viele von den Viechern, wie bei durchgehendem Betrieb erforderlich wären.«
»Und wie viele sind das?«
»Einige Tausend.«
»Einige Tausend ?« , rief Nair.
»Ja, sicher«, sagte Rogaschow ungerührt. »Angenommen, wir hätten so viele im Einsatz, dann würden die Vorräte rund 4000 Jahre reichen, immer vorausgesetzt, die Weltbevölkerung stagniert und der Energiebedarf der Dritten Welt bleibt deutlich unter dem der entwickelten Länder. Beides wird nicht der Fall sein. Realistisch betrachtet sind bis zum Ende des Jahrhunderts 25 Milliarden Menschen zu erwarten und ein flächendeckend gestiegener Stromverbrauch. So gesehen wird uns der Mond maximal 700 Jahre lang mit Energie versorgen.«
»Und dann?«, fragte Chambers.
»Werden wir eine weitere fossile Ressource verheizt haben und da stehen, wo wir heute sind. Der Mond wäre planiert, uninteressant geworden für Hotels und Lustreisen, aber vielleicht ließen sich ja ein paar Naturschutzgebiete rausschlagen. Ob man sie allerdings vor lauter Staub noch sehen könnte, wäre fraglich.«
»Tausende von Fördermaschinen.« Nair schüttelte den Kopf. »Das ist ja Wahnsinn! Dem Aufwand hält doch kein Ertrag stand.«
»Eben doch.« Rogaschow klappte den Computer zu. »Das Problem des Defizits hätten wir bei der konventionellen Raumfahrt gehabt. Der Fahrstuhl hat alles geändert, und ein paar Tausend solcher Maschinen zu bauen, also, da wäre ich mal nicht so ehrfürchtig. Es werden auch Tausende Panzer gebaut, und ein planierter Mond ist eben ein planierter Mond.«
»Scheiße«, sagte Chambers zu sich selbst.
»Ja, scheiße. Ich weiß, was du denkst. Wieder mal zerstören wir ein Naturwunder kurzfristiger Effekte halber.«
»Aber es rechnet sich, was?«
»Es rechnet sich 700 Jahre lang, und aus der Ferne wird der Mond danach nicht sehr viel anders aussehen als heute.« Rogaschow schürzte die Lippen. »Ich denke also, ich werde mich mit einem Teil der ursprünglich geplanten Summe an Orley Space beteiligen.«
»Herzlichen Glückwunsch.«
»Auch auf deinen Rat hin.« Er hob die Brauen. »Schon vergessen? Isla de las Estrellas?«
»Da war ich noch nicht im Fördergebiet gewesen.«
»Verstehe. Hai-Psychose.«
»Nein, keineswegs. Du hast nur gerade zum Ausdruck gebracht, was mir schon im Nebelland klar geworden war. Die Idiotie des Ganzen. Wenn vom lunaren Bergbau die Rede ist, denken die meisten Leute an ein paar einsame Bagger, die sich auf dem Riesenmond verlieren. Stattdessen verlieren wir den Mond an die Bagger.« Sie schüttelte den Kopf. »Klar ist es besser, den Mond zu zerstören als die Erde, die aneutronische Fusion ist sauber, und wenn's 700 Jahre reicht, na fein. Aber ich darf es trotzdem scheiße finden.«
»Die andere Hälfte des Geldes dachte ich einzusetzen, um Warren Locatellis LIGHTYEARS zu übernehmen.«
»Wie bitte?« Nair rollte die Augen. »Du willst –«
»Ich möchte nicht pietätlos erscheinen.« Rogaschow hob beide Hände. »Warren ist tot, aber Zurückhaltung macht ihn nicht wieder lebendig. Er war ein kleiner Gott, und wie alle Götter hat er ein Vakuum hinterlassen. Meines Erachtens ist LIGHTYEARS der Übernahmekandidat par excellence.
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