Limit
Warren hat Bahnbrechendes in der Solartechnologie geleistet, da steht noch einiges zu erwarten, und die besten Köpfe der Branche arbeiten in seinem Unternehmen. Machen wir uns nichts vor: Nur mit Solartechnologie werden wir unsere Energieprobleme nachhaltig lösen können!« Er lächelte. »So, dass wir den Mond vielleicht gar nicht mehr planieren müssen.«
»Und du bist sicher, dass LIGHTYEARS sich einfach schlucken lässt?«, fragte der Inder misstrauisch.
»Feindliche Übernahme.«
»Du wirst eine Menge Geld aufbieten müssen.«
»Ich weiß. Machst du mit?«
»Gütiger Himmel, du stellst vielleicht Fragen!« Nair rieb seine fleischige Nase. »Das ist eigentlich nicht mein Geschäft. Ich bin nur ein einfacher –«
»Bauernsohn, ich weiß.«
»Darüber muss ich nachdenken, Oleg.«
»Tu das. Mit Julian habe ich schon gesprochen. Er ist dabei. Walo auch.«
»Der eine kriegt ein Bein, der andere einen Arm«, summte Chambers, als Nair mit Solarzellen in den Augen entschwebte. Rogaschow lächelte sein Fuchslächeln und schwieg eine Weile.
»Und du?«, sagte er. »Wie wirst du dich verhalten?«
Sie sah ihn an. »Julian gegenüber?«
»Immerhin verwaltest du das Kapital der öffentlichen Meinung, wie du so schön sagtest.«
»Keine Angst.« Chambers verzog die Mundwinkel. »Ich werde ihm nicht schaden.«
»Gute Freundin«, spottete Rogaschow.
»Freundschaft tut da wenig zur Sache, Oleg. Ich stand den meisten seiner Vorhaben schon positiv gegenüber, bevor ich zum Mond flog, und das tue ich immer noch, ungeachtet dessen, was ich über den Raubbau da oben denke. Er ist ein Pionier, ein Erneuerer. Keine Verbrecherbande wird mir meine Sympathien für ihn so einfach aus dem Schädel bomben.«
»Wirst du denn eine Sendung über die Vorfälle machen?«
»Klar. Bist du dabei?«
»Wenn du willst.«
»Darf ich dich bei der Gelegenheit dann auch zu deinem Privatleben befragen?«
»Nein, das darfst du nur hier.« Er zwinkerte ihr zu. »Als Freundin.«
»Aktuell heißt es, du wärest verlassen worden.«
»Ach so.« Sein Blick schweifte ab. »Ja, ich glaube, Olympiada erwähnte etwas in der Art.«
»Mann, Oleg!«
Er zuckte die Achseln. »Was willst du? Seit unserer Eheschließung verlässt sie mich alle zwei Wochen.«
»Diesmal scheint sie es ernst zu meinen.«
»Ich wäre froh, sie würde ihrer Androhung Taten folgen lassen. Immerhin hat sie mich heute erstmals verlassen, ohne sturzbetrunken zu sein. Es besteht also noch Hoffnung.«
»So egal ist dir das?«
»Oh nein! Es ist überfällig.«
»Tut mir leid, aber das geht über meinen Verstand. Warum verlässt du sie dann nicht?«
»Das habe ich längst.«
»Offiziell, meine ich.«
»Weil ich ihrem Vater versprochen habe, es nicht zu tun.«
»Ach so. Dieser Macho-Scheiß!«
»Was? Versprechen zu halten?« Rogaschow musterte sie. »Soll ich dir sagen, was sie mir am meisten vorwirft, Evelyn? Willst du's wissen? Was glaubst du?«
»Keine Ahnung.« Sie zuckte die Achseln. »Untreue? Zynismus?«
»Nein. Dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, sie zu belügen. Verstehst du? Die Mühe!«
Chambers schwieg verwirrt.
»Aber ich lüge nicht«, sagte Rogaschow. »Man kann mir alles Mögliche vorwerfen, und vieles wahrscheinlich zu Recht, aber wenn es etwas gibt, das ich zu keiner Zeit getan habe und niemals tun werde, dann ist es lügen oder wortbrüchig werden. Kannst du dir das vorstellen? Dass dir jemand unter all deinen schlechten Eigenschaften die einzige gute vorwirft?«
»Vielleicht meint sie ja, dass es dann erträglicher –«
»Für wen? Für sie? Sie hätte gehen können, jederzeit. Sie hätte mich gar nicht erst heiraten müssen. Sie kannte mich, wusste genau, wer ich bin, und dass Ginsburg und ich vornehmlich unsere Vermögen zu verehelichen trachteten. Aber Olympiada hat eingewilligt, weil sie nichts Besseres mit sich anzufangen wusste, und heute weiß sie nichts Besseres mit sich anzufangen, als zu leiden.« Rogaschow schüttelte den Kopf. »Glaub mir, ich werde sie nicht aufhalten. Ich werde ihr die Trennung aber auch nicht aufdrängen. Sie mag es so sehen, dass ich sie entwürdigt habe, aber zurückgewinnen muss sie ihre Würde selbst. Olympiada sagt, sie stirbt an meiner Seite. Schlimm. Aber ich kann nicht ihr Leben retten, sie selbst muss ihr Leben retten, indem sie endlich geht.«
Chambers starrte auf ihre Fingerspitzen. Plötzlich sah sie wieder den Fuß des Käfers herabfahren, spürte den fahlen Blick des Wesens aus dem Totenreich
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