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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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auf sich ruhen. Ich sehe dich, sagte es. Ich werde dich jeden Tag beobachten, den du dich auf deinen Tod vorbereitest.
    »Mein Leben hast du gerettet«, sagte sie leise. »Habe ich dir eigentlich schon dafür gedankt?«
    »Ich glaube, du versuchst es gerade«, sagte Rogaschow.
    Sie zögerte. Dann lehnte sie sich zu ihm herüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Ich glaube, du hast noch ein paar gute Eigenschaften mehr«, sagte sie. »Auch wenn du ansonsten ein ziemlicher Ignorant bist.«
    Rogaschow nickte.
    »Ich hätte früher damit anfangen sollen«, sagte er. »Mein Vater war ein tapferer Mann, tapferer als wir alle zusammen, doch sein Leben habe ich nicht retten können. Ich versuche es jeden Tag aufs Neue, indem ich Geld für ihn anhäufe, Firmen für ihn kaufe, Menschen meinem und damit seinem Willen unterwerfe, aber immer wieder wird er aufs Neue erschossen. Immer wieder. Er wird nicht mehr lebendig, und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es gibt keinen Mittelweg, Evelyn. – Entweder ist man zu weit weg oder zu nah dran.«
     
    »Ihr liegt gar nicht so weit auseinander«, zischte Amber. Sie war zornig, weil Julian und Tim nichts anderes hervorzubringen wussten als Gezänk, mehr aber noch über die fixsternartige Beharrlichkeit, mit der beide ihren Ressentiments anhingen, während Lynn wie chloroformiert die Zeit verschlief. »Jeder von euch hat sie verdächtigt, mit Carl zu paktieren.«
    »Weil sie sich so benommen hat«, sagte Tim.
    »Lächerlich! Als wäre Lynn ernsthaft imstande, ihr eigenes Hotel zu zerstören!«
    »Du hast sie doch selber erlebt«, raunte Julian. »Im Nachhinein mag es uns abwegig erscheinen, aber Lynn ist geistig angeschlagen –«
    »Was dir alles so auffällt«, höhnte Tim.
    »Schluss jetzt«, fuhr Amber ihn an. »Das ist ja der reinste Kindergarten hier. Entweder ihr lernt, vernünftig miteinander zu reden, oder ihr könnt mir im Dunkeln begegnen. Alle beide!«
    Sie hatten sich ins Landemodul zurückgezogen, um den anderen nicht das Schauspiel ihrer Zerworfenheit zu bieten. Keiner mochte sich noch in Zurückhaltung üben. Nackt und eklig lag der angegammelte Kadaver ihres Familienlebens vor ihnen, bereit, geöffnet zu werden. Nachdem die Io Nina Hedegaard aus einer Hölle von Staub geborgen und die verbliebene Gruppe das Modul bestiegen hatte, um den Rückweg zur Wohneinheit anzutreten, war Lynn in einem Weinanfall zusammengebrochen. Unmittelbar nach dem Kopplungsmanöver hatte sie das Bewusstsein wiedererlangt, ohne jemanden zu erkennen, war erneut weggedämmert und auf eine 24 Stunden dauernde, verwunschene Reise gegangen. Seither machte sie einen weitgehend gesammelten Eindruck, nur dass sie sich an das meiste nicht erinnern konnte, was auf dem Mond geschehen war. Augenblicklich schlief sie wieder.
    »Um hier mal einiges klarzustellen –«, begann Tim.
    »Stopp.« Amber schüttelte den Kopf.
    »Wieso?«
    »Ich sagte, stopp!«
    »Du weißt doch gar nicht, was ich –«
    »Doch, du willst deinem Vater an den Kragen! Wie lange noch? Was wirfst du ihm eigentlich vor? Dass er die Raumfahrt erschwinglich gemacht hat? Dass er zigtausend Leuten Arbeit gibt?«
    »Nein.«
    »Dass er Menschheitsträume verwirklicht? Für saubere Energie, für eine bessere Welt kämpft?«
    »Natürlich nicht.«
    »Also was?«, bellte sie. »Oh Mann, ich bin es so leid, diesen elenden Grabenkrieg! So leid!«
    »Amber.« Tim duckte sich. »Er hat sich nicht gekümmert. Als wir –«
    »Worum denn gekümmert?«, unterbrach sie ihn. »Mag ja sein, er war selten für euch da. So wie ich das sehe, kümmert er sich tagein, tagaus um eine kosmische Randerscheinung namens Menschheit, die jede Menge Dreck und Ärger macht. Tut mir leid, Tim, aber diese Larmoyanz, mit der junge Leute von ihren Erzeugern, auch wenn sie das reine Wunder vollbringen, außerdem noch ihren kleinen Heile-Welt-Arsch nachgetragen haben wollen, findet nicht meinen Beifall.«
    »Es geht nicht darum, dass er selten da war«, wehrte sich Tim verbissen. »Sondern, dass er zu den wenigen Gelegenheiten, an denen er hätte da sein müssen, nicht da war! Dass Crystal darüber den Verstand verl –«
    »Du unfaires Arschloch«, schnaubte Julian. »Deine Mutter hatte eine genetische Disposition.«
    »Blödsinn!«
    »Doch! Capito, Hombre ? Sie hätte auch den Verstand verloren, wenn ich von morgens bis abends um sie herum gewesen wäre.«
    »Du weißt genau, dass –«
    »Nein, sie war krank! Sie trug es in ihren Genen, und bevor ich sie

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