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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Kurzzeitig hatte sie ihre Führungsqualitäten wiedererlangt, bevor ihr Verstand endgültig kollabiert war. Dass er nun wieder arbeitete, erschien ihr fast wie ein Wunder, ohne sie sonderlich zu freuen, da der Generator ihrer Emotionen offenbar Schaden genommen hatte. Kraftlos und niedergeschlagen konnte sie sich nicht einmal mehr vorstellen, wie es war, Freude zu empfinden. Dafür wusste sie, was sie in all der Wirrnis definitiv nicht geträumt hatte. Deutlich stand es ihr vor Augen, klang es in ihren Ohren nach, eine Angelegenheit, in der Lawrence eine unrühmliche Rolle spielte.
    »Lassen Sie mich zufrieden«, sagte sie.
    »Ich habe meinen Job gemacht, Lynn«, sagte Lawrence gekränkt. »Wenn planerische und bauliche Mängel am Gaia zu einer Katastrophe geführt haben, dürfen Sie nicht mir die Schuld daran geben.«
    »Es gab keine Mängel. Wann sind wir eigentlich da?«
    »In knapp drei Stunden.«
    Lynn begann sich loszuschnallen. Sie hatte Durst. Immerhin. Sogar auf etwas Bestimmtes, auf Grapefruitsaft. Also hatte sie nicht einfach nur Durst, sondern Appetit. In gewisser Weise etwas Emotionales.
    »Man hätte weitere Notausgänge bauen müssen«, träufelte Lawrence Säure in die Wunden. »Der Hals war ein Engpass.«
    »Hatte ich Sie nicht gefeuert?«
    »Das haben Sie.«
    »Dann halten Sie den Mund.«
    Lynn schob Lawrence beiseite und glitt zur Luke, die in den Nachbarbereich führte. Wie immer würden alle sehr nett und rücksichtsvoll sein. Peinlich, peinlich, schließlich wäre es ihre Aufgabe gewesen, Julians Gäste nach ihren Wünschen zu fragen. Doch sie war krank. Nach und nach, in behutsam verabreichten Portionen, hatte Tim ihr das ganze Ausmaß der Katastrophe enthüllt, und so wusste sie mittlerweile, wer alles gestorben war und unter welchen Umständen. Und wieder hatte sie um Gefühle gerungen, um Trauer oder wenigstens Wut, ohne dass es zu mehr langte als dumpfer Verzweiflung.
     
    »Was wollte sie denn?«
    »Was?« Julian nahm den Kopfhörer ab.
    »Ich habe gefragt, was sie wollte.«
    Tim gab sich Mühe, nicht unfreundlich zu klingen. Julian wandte den Kopf. Die Kommandokanzel der Charon befand sich im rückwärtigen Teil des Schlafbereichs. Durch das offene Schott konnten sie in den angrenzenden Salon sehen, wo sich Heidrun, Sushma und Olympiada gerade mit Finn O'Keefe unterhielten, während Ögi an einer Rochade Kramps verzweifelte.
    »Ganz was Komisches«, sagte Julian leise. »Sie fragte, wie viele Bomben wir in der Mondbasis gefunden hätten.«
    »Wie viele?«
    »Offenbar waren an Bord dieser äquatorialguineischen Rakete zwei Mini-Nukes. Da oben liegt noch so ein Ding.«
    Er sagte es so ruhig und nebensächlich, dass Tim einen Moment brauchte, um die ganze Tragweite der Nachricht zu begreifen.
    »Mist«, flüsterte er. »Weiß Palmer schon davon?«
    »Sie haben ihn umgehend benachrichtigt. In der Basis dürfte einige Hektik ausgebrochen sein. Sie wollen die Höhlen ein weiteres Mal inspizieren.«
    »Du meinst, für den Fall, dass die eine Bombe gefunden wird –«
    »Hat Carl möglicherweise eine zweite versteckt.«
    »Puh.«
    »Mhm.« Julian legte eine Hand auf Tims Schulter. »Wie auch immer, wir sollten nicht damit hausieren gehen.«
    »Ich weiß nicht, Julian.« Tim runzelte die Brauen. »Meinst du im Ernst, er hat die zweite Bombe ebenfalls in den Höhlen deponiert?«
    »Du nicht?«
    »Nachdem da schon eine lag? Also, ich würde mir für so eine Reserve einen ganz anderen Platz suchen.«
    »Auch wieder wahr.« Julian massierte seinen Bart. »Und wenn die zweite Mini-Nuke gar nicht für die Basis bestimmt ist?«
    »Für wen denn sonst?«
    »Mir kommt da so eine Idee. Bisschen krude vielleicht. Aber stell dir vor, jemand versucht, Chinesen und Amerikaner aufeinanderzuhetzen. Leichte Sache, nachdem sie sich schon vergangenes Jahr gekloppt haben. Was also, wenn die zweite Bombe –«
    »Für die Chinesen bestimmt wäre?« Tim ließ langsam den Atem entweichen. »Du solltest Romane schreiben. Aber gut. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit.«
    »Welche?«
    »Das Fördergebiet.«
    »Tja.« Julian nagte an seiner Unterlippe. »Und wir können nichts tun.«
    »Was dagegen, wenn ich es Amber erzähle?«
    »Meinethalben, aber niemandem sonst. Ich spreche noch mal mit Jennifer und sage ihr, wie wir darüber denken.«
     

ORLEY SPACE STATION OSS,
GEOSTATIONÄRER ORBIT
     
    Sie näherten sich der Raumstation schrägwinklig, sodass die gewaltige, 280 Meter lange Pilzstruktur in surrealer Schieflage

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